Entscheidungsstichwort (Thema)
Stromsteuerbefreiung: Entnahme zur Stromerzeugung in Müllverbrennungsanlage – Unmittelbare Verwendung zur Stromerzeugung – Begünstigung vorgelagerter Prozesse – Stromerzeugung als Nebenzweck einer Anlage
Leitsatz (redaktionell)
- Für den zur Stromerzeugung durch den Betrieb einer Müllverbrennungsanlage mit angebauter Dampfturbine entnommenen Strom ist die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG zu gewähren, soweit dessen Verwendung unmittelbar zum technologischen Prozess der Stromerzeugung beiträgt.
- Begünstigt ist danach neben dem eigentlichen Verbrennungsvorgang auch der Stromeinsatz für die vorgelagerten Prozesse wie die Beförderung des Mülls vom Müllbett in den Müllbunker und dessen Aufbereitung im Müllbunker.
- Unerheblich für die Abgrenzung des unmittelbar der Stromerzeugung dienenden Stroms ist, ob die Müllverbrennung als Hauptzweck und die Stromerzeugung als bloßer Nebenzweck der Anlage einzustufen ist.
Normenkette
StromStG § 9 Abs. 1 Nr. 2; StromStV § 12 Abs. 1 Nr. 1; EnergieStRL Art. 14 Abs. 1 Buchst. a S. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Umfang der der Klägerin zu gewährenden Entlastung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Stromsteuergesetzes (StromStG).
Die Klägerin betreibt in B. eine Müllverbrennungsanlage. Der dort durch die Verbrennung des Abfalls erzeugte Dampf wird in ein Fernwärmenetz eingespeist. Nach dem Anbau einer Dampfturbine…nutzt die Klägerin den in der Müllverbrennungsanlage erzeugten Dampf auch für die Erzeugung von Strom. Der Strom wird überwiegend für den Betrieb der Müllverbrennungsanlage verwendet. Überschüssige Mengen des erzeugten Stroms leistet die Klägerin an die S. GmbH. Zusätzlich für den Betrieb der Müllverbrennungsanlage erforderliche Strommengen bezieht die Klägerin von der Y. AG.
Die auf dem Betriebsgelände angelieferten Abfälle werden zunächst gewogen und alsdann über vorgesehene Abkippstellen in ein Müllbett gekippt. Von dort gelangt der Abfall über einen Müllbettschieber in einen Müllbunker, wo er unter Einsatz eines Krans vermischt wird. Die Durchmischung des Abfalls stellt einen gleichmäßigen Heizwert und dadurch eine konstante Dampferzeugung sicher. Die vermischten Abfälle werden unter Einsatz von zwei Brückenkränen den drei Verbrennungslinien zugeführt. Dort werden die Abfälle auf sechs hintereinander angeordneten Walzen verbrannt. Die für die Verbrennung des Abfalls erforderliche Luft wird mit einem Gebläse aus dem Müllbunker abgezogen und unter den sechs Walzen verteilt. Die bei der Verbrennung entstehenden heißen Rauchgase werden in einem nachgeschalteten dreizügigen Kessel von etwa 900 bis 1.100 Grad Celsius auf etwa 320 Grad Celsius abgekühlt. Ein Teil des hierbei entstehenden Dampfes wird vor der Zuführung zur Turbine zur Fernwärmeversorgung ausgekoppelt. Der übrige Dampf wird der Dampfturbine zugeführt und dort von etwa 15 bar auf etwa 0,3 bar entspannt. Die Temperatur des Dampfes sinkt von etwa 198 Grad Celsius auf 69 Grad Celsius. Der Dampf wird anschließend in einem luftgekühlten Kondensator kondensiert und sodann den Kesseln als sogenanntes Speisewasser wieder zur Verfügung gestellt. Das Kondensat wird im dampfbeheizten Speisewasserbehälter vorgewärmt, so dass es über eine weitere Vorwärmstufe den Kesseln wieder zugeführt werden kann. Die durch die Verbrennung der Abfälle entstandenen Rauchgase werden in einer Rauchgasreinigungsanlage gereinigt und an die Außenluft abgeführt.
Der Beklagte erteilte der Klägerin mit Verfügung vom 8.11.2018 mit Rückwirkung zum 15.12.2017 die Erlaubnis, Strom als Versorgerin leisten zu dürfen sowie nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG steuerbefreiten Strom zur Stromerzeugung entnehmen zu dürfen.
Die Klägerin gab am 27.5.2019 eine das Kalenderjahr 2018 betreffende Stromsteueranmeldung ab, in der sie eine Menge von 4.608,093 MWh zum Regelsteuersatz in Höhe von…€ zu versteuernden Strom angab. Ferner gab sie eine Menge von 13.352,027 MWh zur Stromerzeugung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG entnommenen Strom und eine Menge von 4,240 MWh in einer Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage erzeugten und zum Selbstverbrauch entnommenen Strom (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StromStG) an. Sie teilte hierzu mit, es sei bei der Berechnung bereits berücksichtigt worden, dass 21,08 % des erzeugten Dampfes nicht an der Stromerzeugung teilnähmen, da die Wärme insoweit unmittelbar in das Fernwärmenetz eingespeist werde.
Der Beklagte stellte sich unter Bezugnahme auf eine die Kalenderjahre 2014 bis 2016 betreffende Außenprüfung auf den Standpunkt, dass die Klägerin im Kalenderjahr 2018 nur 8 % des insgesamt in diesem Jahr erzeugten Stroms von 17.960,120 MWh, mithin nur 1.436,810 MWh zur Stromerzeugung steuerfrei nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG entnommen habe. Er setzte deshalb abweichend von der Steueranmeldung der Klägerin die Stromsteuer gegen diese mit Bescheid vom 18.7.2019 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf…€ fest.
Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch übersandte die Klägerin einen Bericht der N. GmbH (N. GmbH) zur Erfa...