Entscheidungsstichwort (Thema)

Ad-Valorem-Steuersatz für Zigarillos

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 4 Abs. 1 Nr. 2 des TabStG i. d. F. vom 21.12.1992 ist im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 15.06.2000 - Rs. C-365/98 dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass für Zigarren und Zigarillos ausschießlich der Ad-valorem-Steuersatz von 5% des Kleinverkaufspreises und nicht der Mindeststeuersatz von 3,1 Pfennig/Stück angewandt wird.

 

Normenkette

TabStG 1992 § 4 Abs. 1 Nr. 2; EWGRL 92/80 Art. 1 Buchst. a, Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.02.2003; Aktenzeichen VII R 8/01)

 

Tatbestand

Die Klägerin stellte Zigarillos her. Für die Entnahme dieser Tabakwaren aus ihrem Steuerlager gab die Klägerin in dem Zeitraum vom 1. August 1996 bis zum 16. Juli 1997 beim beklagten Hauptzollamt Steueranmeldungen ab, wobei sie die von ihr zu entrichtende Tabaksteuer nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 des Tabaksteuergesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I, 2150) (TabStG) berechnete. Gegen ihre Steueranmeldungen legte die Klägerin in dem Zeitraum vom 14. August 1996 bis zum 16. Juli 1997 Einsprüche ein, mit denen sie im Wesentlichen vorbrachte: Der in § 4 Abs. 1 Nr. 2 TabStG vorgesehene Mindeststeuersatz von 3,1 Pf je Stück sei gemeinschaftsrechtswidrig. Es dürfe nur ein Ad-Valorem-Steuersatz angewendet werden.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 27. Juni, 9. Juli und 17. Juli 1997 wies das beklagte Hauptzollamt die Einsprüche der Klägerin zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Es sei zwar zutreffend, dass die Richtlinie 92/80/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf andere Tabakwaren als Zigaretten (ABl. EG Nr. L 316/10) (Richtlinie 92/80/EWG) einen nationalen Mindeststeuersatz für Zigarren und Zigarillos nicht vorsehe. Hieraus könne der Steuerpflichtige jedoch keine Rechte für sich herleiten. Richtlinien würden sich grundsätzlich nur an die Mitgliedstaaten wenden. Im Hinblick auf die vielfältigen Besteuerungsalternativen, die die Richtlinie 92/80/EWG vorsehe, scheide eine unmittelbare Wirkung dieser Richtlinie für den Steuerpflichtigen aus.

Die Klägerin hat am 24. Juli 1997 Klage erhoben, mit der sie im Wesentlichen vorträgt: Der in § 4 Abs. 1 Nr. 2 TabStG vorgesehene Mindeststeuersatz von 3,1 Pf je Stück sei nach der Richtlinie 92/80/EWG unzulässig. Dies habe der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in seinem Urteil vom 15. Juni 2000 - Rs. C-365/98 - bestätigt. Dies führe dazu, dass der Mindeststeuersatz in § 4 Abs. 1 Nr. 2 TabStG nicht angewendet werden dürfe. Dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts könne hier nur dadurch Genüge getan werden, dass lediglich der Steuersatz angewendet werde, der einem Besteuerungsmodell der Richtlinie 92/80/EWG entspreche. Von den beiden Besteuerungselementen sei nur der Ad-Valorem-Steuersatz richtlinienkonform. Demgegenüber sei ein Mindeststeuersatz nach Begriff und Gesetzestechnik ein Auffangtatbestand und kein selbstständiges Steuermodell. Würde man den Mindeststeuersatz in § 4 Abs. 1 Nr. 2 TabStG als einen spezifischen Verbrauchsteuersatz auffassen, würde es sich nicht mehr um eine Auslegung, sondern um eine Umdeutung handeln. Eine solche Umdeutung sei unzulässig, weil sich hierdurch der nationale Richter an die Stelle des nationalen Gesetzgebers setzen würde. Bei der richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 TabStG könnten fiskalische und steuerpolitische Gesichtspunkte keine Berücksichtigung finden.

Die Klägerin beantragt,

ihre Steueranmeldungen vom 31. Juli, 15. August, 27. August, 30. August, 13. September, 20. September, 30. September, 15. Oktober, 31. Oktober, 6. November, 14. November, 15. November, 22. November, 29. November und 13. Dezember 1996 sowie vom 3. Januar, 15. Januar, 29. Januar, 31. Januar, 7. Februar, 14. Februar, 28. Februar, 14. März, 27. März, 11. April, 15. April, 30. April, 6. Mai, 13. Mai, 14. Mai, 28. Mai, 2. Juni, 30. Juni und 15. Juli 1997 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 27. Juni, 9. Juli und 17. Juli 1997 aufzuheben, soweit damit die Tabaksteuer unter Anwendung des Mindeststeuersatzes von 3,1 Pf je Stück berechnet worden ist;

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise die Revision zuzulassen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die Steueranmeldungen der Klägerin vom 31. Juli, 15. August, 27. August, 30. August, 13. September, 20. September, 30. September, 15. Oktober, 31. Oktober, 6. November, 14. November, 15. November, 22. November, 29. November, 13. Dezember 1996 sowie vom 3. Januar, 15. Januar, 29. Januar, 31. Januar, 7. Februar, 14. Februar, 28. Februar, 14. März, 27. März, 11. April, 15. April, 30. April, 6. Mai, 13. Mai, 14. Mai, 28. Mai, 2. Juni, 30. Juni und 15. Juli 1997 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen des beklagten Hauptzollamts vom 27. Juni, 9. Juli und 17. Juli 1997 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit damit die Tabaksteuer unter Anwendung des Mindeststeuersatzes...

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