rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1986 bis 1988
Tenor
Die Einkommensteuerbescheide 1986 und 1988 vom 6. Oktober 1989 und die Einspruchsentscheidung vom 2. März 1994 werden aufgehoben.
Unter Änderung des Bescheides vom 6. Oktober 1989 wird die Einkommensteuer 1987 auf 9.854,– DM festgesetzt.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
beschlossen:
Der Streitwert wird auf 3.968,– DM festgesetzt.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand
Streitig ist die Besteuerung von Trinkgeldern.
Der Kläger erzielt als Kellner im X-Lokal Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Im Rahmen einer bei der genannten Gaststätte durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamts Y stellte der Prüfer fest, daß der Kläger in den Streitjahren jährliche Kellnerumsätze von 230.899,– DM (1986), 266.465 – DM (1987) und 201.956,– DM (1988) erzielt, dem Arbeitgeber aber nur jährliche Trinkgelder von 439,90 DM (1986), 407,10 DM (1987) und 331,00 DM (1988) angezeigt hatte. Da nach Ansicht des Prüfers die Trinkgeldangaben nur pauschal und wegen der geringen Höhe nicht glaubhaft waren, schätzte er die Trinkgelder gemäß § 162 der Abgabenordnung – AO – auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen im Betrieb (z. B. Inhalt der Tätigkeit, Kundenkreis, Ware, Preisgestaltung, Monatsumsatz) auf 2 % der erzielten Kellnerumsätze.
Nach Erhalt einer entsprechenden Kontrollmitteilung änderte der Beklagte als Wohnsitzfinanzamt die Einkommensteuerbescheide des Klägers gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, indem er die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um jeweils 2 % der mitgeteilten Jahresumsätze abzüglich des Freibetrages gemäß 3 Nr. 51 des Einkommensteuergesetzes – EStG – von 1.200,– DM erhöhte.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren trägt der Kläger im wesentlichen folgendes vor: Bei den Trinkgeldern handele es sich nicht insgesamt um Arbeitslohn, sondern teilweise um eine nicht steuerbare Aufmerksamkeit. Er habe lediglich Trinkgelder in einer den gesetzlichen Freibetrag nicht übersteigenden Höhe erhalten. Der Beklagte sei zu einer Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide schon deshalb nicht berechtigt gewesen, weil ihm keine neuen Tatsachen im Sinne von § 173 AO bekannt geworden seien, sondern er nur neue Vermutungen angestellt habe. Die Schätzung sei rechtswidrig. Der Beklagte habe den Sachverhalt auch nicht ausreichend ermittelt. Der X sei ein Lokal mit kleinen Massenumsätzen; das führe zu kleinen Trinkgeldern und häufigen Mankos. Die Quote nicht trinkgeldfreudiger Gäste, z. B. „B-länder” und anderer Touristen, ebenso von Schülern, Studenten und Rentnern sei unverhältnismäßig hoch. Häufig werde in Gruppen gezahlt. Auch weil auf Bierdeckel und auf Tafeln an der Wand „gestrichelt” werde, entstünden überdurchschnittliche Mankos. Sämtliche Mankos müßten ausschließlich die Kellner selbst tragen. Die schlechte Zahlungsmoral zahlreicher Gäste zeige sich auch daran, daß sie viele Biergläser „mitgehen” ließen. Von den Trinkgeldern seien daher die Mankogelder abzuziehen. Danach verblieben erheblich weniger als 2 % der Kellnerumsätze.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die angefochtenen Änderungsbescheide ersatzlos aufzuheben, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Die Trinkgelder stellten Arbeitslohn dar. Mangels aussagekräftiger Unterlagen des Klägers sei er zur Schätzung berechtigt gewesen. Der Ansatz von 2 % der Kellnerumsätze sei Ausdruck einer vorsichtigen Schätzung und berücksichtige bereits Mankogelder, da das reine Trinkgeld wesentlich höher gewesen sei. Schon der Charakter des X-Lokals als ein bei allen Bevölkerungsschichten beliebtes typisches Lokal mit selbsterzeugtem Bier begründe ein erhöhtes Trinkgeldaufkommen. Zudem sei den Gästen bekannt, daß der Kellner ein Trinkgeld geradezu erwarte. Der Straßenverkauf erfolge nur gegen sofortige Barzahlung, so daß dort Mankogelder nahezu ausgeschlossen sein. Die Mitnahme von Gläsern als Souvenir sei kein Indiz für eine schlechte Zahlungsmoral der Gäste.
Das Gericht hat im Einverständnis aller Beteiligten das Verfahren des Klägers mit den beim Senat anhängigen vier weiteren Klageverfahren anderer Kellner des X-Lokals gegen den Beklagten gleichzeitig verhandelt (Aktenzeichen 8 K 7437/93 L, 8 K 5471/94, 8 K 5503/94 und 8 K 702/95).
In der Simultanverhandlung hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung der von sämtlichen o.a. Klägern benannten Zeugen, nämlich des Geschäftsführers des X-Lokals, M, des Prokuristen N und der Kellnerkollegen O, P und Q. Auf die ursprünglich zusätzlich beantragte Vernehmung der einzelnen Kläger als Zeugen in den Verfahren der jeweils anderen Kläger haben die o.a. Kläger anschließend in der mündlichen Verhandlung verzichtet. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwie...