Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b EStG
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen für die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b EStG im Verfahren der einstweiligen Anordnung
Normenkette
EStG § 48b; FGO § 114 Abs. 2
Tatbestand
I. Der Antragsteller (Ast) betreibt ein Klempner- und Installateurunternehmen. Im November 2001 beantragte er erstmals bei dem Antragsgegner (Ag) die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung gem. § 48 b Einkommensteuergesetz (EStG). Der Ag erteilte diese Bescheinigung am 19.11.2001 für die Zeit vom 01.01.2002 bis zum 30.06.2002. Ein Antrag des Ast auf Verlängerung der Freistellungsbescheinigung wurde am 05.07.2002 zunächst mit der Begründung abgelehnt, dass fällige Steuern nicht gezahlt würden. In der Vollstrekkungsakte (VoAkte) abgelegte Aufstellungen über in der Vollstreckung befindliche Rückstände lauten per 08.01.1999 auf 28.204,16 DM (VoAkte Bl. 71), per 18.04.2000 auf 57.988,90 DM (VoAkte Bl. 97), per 21.02.2001 auf 83.313,60 DM (VoAkte Bl. 106), per 01.11.2002 auf 45.088,11 € (VoAkte Bl.136). In diesen Beträgen waren stets auch erhebliche Vorauszahlungsbeträge für Einkommensteuer und seit der Aufstellung per 18.04.2000 auch erhebliche Beträge für offene Einkommensteuerabschlusszahlungen für 1995 und 1996, seit der Aufstellung per 21.02.2001 auch für 1997, enthalten. Auf den Einspruch des Ast (Akte zu § 48b EStG - EStA - Bl. 19) wurde die Freistellungsbescheinigung für die Zeit vom 22.07. bis zum 12.09.2002 erteilt. Der folgende Verlängerungsantrag wurde zunächst wiederum mit Hinweis auf nicht gezahlte fällige Steuern abgelehnt. Nach einem Einspruch des Ast (EStA Bl. 44) erteilte der Ag Freistellungsbescheinigungen für die Zeit vom 12. bzw. 13.09.2002 bis zum 31.01.2003 (EStA Bl. 49f), und zwar im Einvernehmen mit dem Ast beschränkt auf Bauleistungen an die von dem Ast benannten zwei Auftraggeber A und B. In einem gesonderten Schreiben vom 11.10.2002 (EStA Bl. 52) forderte der Ag den Ast auf, sich mit der Vollstreckungsstelle wegen einer Vereinbarung zur Tilgung der Rückstände in Verbindung zu setzen.
Mit Schreiben vom 08.05.2001 hatte der Ast um die Genehmigung einer monatlichen Ratenzahlung für die in der Vollstreckung befindlichen Rückstände ab 01.06.2001 in Höhe von 1.000 DM bis zum Jahresende gebeten (VoAkte Bl. 127). Mit Schreiben vom 21.10.2002 (VoAkte Bl. 130) bat er um die Genehmigung monatlicher Raten von 250 €. Auf dem Schreiben befindet sich nur ein handschriftlicher Hinweis "wohl nein". Einen in dem Schreiben vom 21.10.2002 gleichzeitig gestellten Antrag, bis zur Entscheidung keine Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen, lehnte der Ag am 29.10.2002 ab.
Am 29.01.2003 beantragte der Ast eine Verlängerung der bis zum 31.01.2002 befristeten Freistellungsbescheinigung bis zum 31.12.2003. Mit Bescheid vom 05.02.2003 (EStA Bl. 59) lehnte der Ag die Verlängerung wiederum mit der Begründung fehlender Zahlung fälliger Steuern ab. Hiergegen hat der Ast am 10.02.2003 Einspruch eingelegt.
Am 07.02. 2003 hat er bei Gericht einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt.
Der Ast trägt vor: Bei den in der Begründung des Ablehnungsbescheides erwähnten Steuerschulden handele es sich vermutlich um Einkommensteuerschulden aus dem Jahre 1996 in Höhe von ca. 25.000 €. Da er, der Ast, seinen Auftraggebern mit Ablauf der Geltungsdauer der Freistellungsbescheinigung keine Bescheinigung mehr habe vorlegen können, habe er seither keine Aufträge mehr erhalten. Zudem täten sich die Auftraggeber in Bezug auf laufende Aufträge mit der Zahlung schwer, da sie wegen des Fehlens der Freistellungsbescheinigung annähmen, der Ast stehe kurz vor der Insolvenz. Da der Ast bis zum Erteilen einer Freistellungsbescheinigung in der Tat keine Aufträge mehr bekommen werde, bestehe die Gefahr der Insolvenz. Damit sei weiteres Zuwarten nicht möglich, weshalb einstweiliger Rechtsschutz in Anspruch genommen werde. Der Ast gehe mit dem Niedersächsischen Finanzgericht (Beschluss vom 18.04.2002 6 V 55/02) davon aus, dass die Verletzung steuerlicher Pflichten vor dem Inkrafttreten des mit dem Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe vom 30.08.2001 eingeführten § 48 b EStG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit für die Beurteilung der Freistellungsvoraussetzungen unerheblich sei.
Denn der Steuerpflichtige müsse sich mit seinem Verhalten auf die neue gesetzliche Regelung einrichten können. Darüber hinaus erscheine die einer Gewerbeuntersagung gleichkommende Ablehnung der Freistellungsbescheinigung bei einer rückständigen Steuerschuld von ca. 25.000 € nicht angemessen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Ast seinen steuerlichen Verpflichtungen in Bezug auf die betrieblichen Steuerzahlungen stets nachgekommen sei. Allerdings sei es ihm wegen der regelmäßigen Einschaltung einer Steuerberaterin fast unmöglich, die Frist für die Umsatzsteuervoranmeldungen bis zum 10. des Folgemonats einhalten; Dauerfristverlängerung sei ihm nicht gewährt worden. Hieraus auf ei...