Entscheidungsstichwort (Thema)
Arrestanordnung wegen hinterzogener Energiesteuer - Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Abgabe im Steuergebiet
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Abgabe im Steuergebiet i.S.v.§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG ist es nicht erforderlich, dass auch die Inbesitznahme durch den Empfänger im Steuergebiet erfolgt. Maßgeblich ist vielmehr der objektiv erkennbare Wille zur Abgabe gem. § 49a EnergieStV.
2. Wer an einer Abgabe im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EnergieStG nur beteiligt ist, ist kein Steuerschuldner gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 1 EnergieStG.
3. Zu den Voraussetzungen eines Arrestanspruchs und Arrestgrundes gem. § 324 AO.
Normenkette
AO §§ 71, 324, 370 Abs. 1 Nr. 2, § 393 Abs. 3; EnergieStG § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 4 Nr. 3, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1; EnergieStV § 49a; StGB § 27 Abs. 1; KN Pos. 2710 1991; KN Pos. 2710 1999
Tatbestand
A.
Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung der Vollziehung einer Arrestanordnung und verschiedener Pfändungen.
Gegen die Antragstellerin, ihren Ehemann und weitere Personen führen das ZFA Hamburg (Dienstsitz A) und die Staatsanwaltschaft Hamburg (xxx) strafrechtliche Ermittlungen durch.
Mit Bescheid vom 28. Dezember 2020 (XXX-1), der Antragstellerin am 19. Januar 2021 zugestellt, ordnete der Antragsgegner den dinglichen Arrest in das Vermögen der Antragstellerin gemäß § 324 Abs. 1 AO zur Sicherung einer Energiesteuerschuld in Höhe von ... Mio. € an. Durch Hinterlegung dieser Summe werde die Vollziehung gehemmt und die Antragstellerin berechtigt, die Aufhebung des Arrestes zu beantragen.
Der Arrestanspruch ergebe sich daraus, dass die Antragstellerin im Verdacht stehe, sich mit weiteren Mittätern zu einer Bande zusammengeschlossen zu haben, die über die B GmbH (B) ein angeblich temporäres Korrosionsschutzmittel namens "xxx" (im Folgenden: "Mittel" oder "angebliches Korrosionsschutzmittel"), das in die Unterposition 2710 1991 KN einzureihen sei, als Kraftstoff abgegeben zu haben, ohne hierfür Energiesteuer angemeldet zu haben. Nach vorläufigen Berechnungen habe die B in der Zeit vom 28. Mai 2018 bis 13. Oktober 2020 durch 354 Einzellieferungen insgesamt ... kg des Mittels als Kraftstoff bzw. Zusatz- oder Verlängerungsmittel von Kraftstoff abgegeben. Hierdurch sei Energiesteuer in Höhe der Arrestsumme verkürzt worden gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 bisAbs. 6 EnergieStG . Eine Ausnahme gemäß § 23 Abs. 2 EnergieStG sei nicht gegeben. Die Berechnung des Steueranspruchs ergebe sich aus der - tatsächlich der Arrestanordnung nicht beigefügten - Anlage.
Die Antragstellerin habe bei Gründung der B am ... 2017 100 % der Geschäftsanteile gehalten, bevor sie im Februar 2019 Anteile an die Mitbeschuldigten C und D veräußert habe. Sie habe regelmäßig ein Gehalt von der B erhalten. Für die Lieferungen habe sie Beihilfe zur Steuerhinterziehung der anderen Beschuldigten geleistet. Sie habe insbesondere bei der Errichtung, der Gestaltung und (insbesondere Ende 2019/Anfang 2020) auch beim Erhalt der finanziellen Handlungsfähigkeit der B geholfen. Dazu habe sie der B ein Darlehen aus Mitteln gewährt, die sie selbst nicht besessen haben könne. Außerdem habe sie ein Privatkonto zur Zahlungsabwicklung zur Verfügung gestellt. Dabei habe sie zumindest mit bedingtem Vorsatz zu Gunsten der gesamten Bande gehandelt. Hierdurch seien die übrigen Beschuldigten erst in die Lage versetzt worden, Rechtsgeschäfte (Miet-, Leasing-, Transport-, Lieferverträge, Materialeinkäufe, Lohnveredlung, Konteneröffnung, Darlehen) unter dem Deckmantel der B einzugehen.
Die Antragstellerin sei Haftungsschuldnerin gemäß § 71 AO, 370 AO.
Der Arrest könne auch dann angeordnet werden, wenn die Forderung zahlenmäßig noch nicht feststehe.
Es bestehe auch ein Arrestgrund gemäß § 324 Abs. 1 AO, weil zu befürchten sei, dass ohne den Arrest die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert werde. Nach dem Ermittlungsstand bestehe wegen des hohen Abgabenbetrags und der gehandelten Ware die Besorgnis, dass die Antragstellerin ihr Vermögen vor weiteren Vollstreckungsmaßnahmen in Sicherheit bringen werde. Nach den bisherigen Feststellungen des ZFA Hamburg habe die B im April 2020 einen Umsatz vom ...Tsd. € und in den Vormonaten zwischen ... Tsd. bis ... Tsd. € erwirtschaftet. Gleichwohl verfüge die B nicht über Grundbesitz in Deutschland, eigene Betriebsstätten, Büros oder einen Fuhrpark. Finanzielle Rücklagen seien nicht vorhanden. Die erwirtschafteten Beträge flössen vielmehr unmittelbar an die Antragstellerin sowie an ihren mitbeschuldigten Ehemann sowie die Mitbeschuldigten C und D. Sie hätten gemeinsam verabredet, etwa ... Tsd. € auf dem Konto der B zu belassen, um ihre Liquidität zu erhalten. Hierfür seien wiederholt höhere Bargeldeinzahlungen notwendig gewesen. Hieraus ergebe sich, dass nicht alle Geldflüsse über das Geschäftskonto der B dokumentiert seien.
Die aus dem Absatz des Mittels stammenden Erlöse, vor allem Bargeld, seien nur insoweit aufs Firmenkonto eingezahlt word...