Entscheidungsstichwort (Thema)
VwZG: Zustellung per Rückschein
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Berechnung gerichtlicher Fristen nach Zustellung per Einschreiben und Rückschein ist zu unterscheiden zwischen der Klagefrist nach Zustellung der außergerichtlichen Rechtsbehelfsentscheidung durch die Verwaltung gemäß AO i.V.m. VwZG einerseits und Fristen nach gerichtlichen Zustellungen gemäß FGO i.V.m. ZPO andererseits; es ist höchstrichterlich nicht geklärt, ob nach VwZG die Drei-Tage-Frist ab Postaufgabe oder - wie in der ZPO - das Rückscheins-Datum gilt.
2. Für die notwendige Klageverbindung genügt es, dass die Klage nicht offensichtlich unzulässig ist.
Normenkette
AO § 122 Abs. 5; FGO §§ 47, 53-54, 60 Abs. 3, § 73 Abs. 2; VwZG §§ 4-5; ZPO § 175
Tatbestand
A. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist streitig, ob die Verbindung der Klageverfahren notwendig ist wegen einer mit den Klagen angestrebten gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung für die Hanseatische AG (HAG) und stille Gesellschafter. Materiell begehren die Kläger die Anerkennung von Verlustzuweisungen für mitunternehmerisch atypisch stille Beteiligungen.
Entscheidungsgründe
B. Die Klagen sind notwendig miteinander zu verbinden.
I. Die Klagen sind nicht offensichtlich unzulässig.
1. Für eine notwendige Verbindung genügt es ebenso wie für eine notwendige Beiladung (unten II), dass die Klagen nicht offensichtlich unzulässig sind (Bundesfinanzhof -BFH- vom 7. Juli 1998 VIII R 17/96, BFH/NV 1999, 473; VIII R 16/96, BFH/NV 1999, 471).
Nicht nur die bisherige Verpflichtungsklage III 325/01 (einschließlich vormals III 328/01 und III 359/01) dürfte zulässig sein. Sondern es spricht auch viel für die Zulässigkeit der bisherigen Verpflichtungsklage III 315/01 des Klägers zu 4.
2. Das gilt auch für die Einhaltung der Klagefrist gemäß § 47 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch die am Freitag, den 22. Dezember 2000, eingegangene Klage des Klägers zu 4 nach Zustellung der Einspruchsentscheidung vom 20. November 2000 per Einschreiben mit Rückschein vom 21. November 2000 (Rechtsbehelfs-Akte betreffend den Kläger zu 4 -Rb-A- Bl. 30 ff, 72 ff).
3. Die einmonatige Klagefrist des § 47 FGO beginnt gemäß § 54 FGO mit der Bekanntgabe der angefochtenen Verwaltungsentscheidung oder mit dem Zeitpunkt, an dem die Bekanntgabe als bewirkt gilt.
Bei der vorliegenden Anfechtung des Feststellungsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem ihre Bekanntgabe bzw. hier ihre Zustellung per Einschreiben mit Rückschein als bewirkt gilt.
4. Anders als bei Zustellungen durch das Finanzgericht (FG) nach § 53 Abs. 1 FGO i.V.m. den in § 53 Abs. 2 FGO seit dem Zustellungsreformgesetz vom 25. Juni 2001 (BGBl. I, 1206) in Bezug genommenen Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) gilt für die vom Beklagten (Finanzamt -FA-) angeordnete Zustellung der Einspruchsentscheidung gemäß §§ 366, 122 Abs. 5 Abgabenordnung (AO) unverändert das Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG). Insbesondere ist die inzwischen in verschiedenen Verfahrensordnungen für Zustellungen per Einschreiben gegen Rückschein in Bezug genommene Vorschrift des § 175 ZPO für die durch das FA angeordnete Zustellung nicht maßgeblich, so dass es hier nicht auf das dortige Zustellungsdatum des Rückscheins ankommt.
5. Im Rahmen des bei finanzamtlicher Zustellung anzuwendenden VwZG ist allerdings umstritten, ob die Zustellung per Einschreiben mit Rückschein wie eine andere Zustellung per Einschreiben (ohne Rückschein) nach § 4 Abs. 1 Halbsatz 1 i.V.m. Abs. 2 oder nach Abs. 1 Halbsatz 2 VwZG oder wie eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nach § 5 VwZG zu beurteilen ist.
Gemäß § 4 Abs. 1 VwZG gilt ein eingeschriebener Brief mit dem dritten Tag nach dem (gemäß § 4 Abs. 2 VwZG in der Akte zu vermerkenden) Tag der Aufgabe zur Post als zugestellt; es sei denn, dass er nicht oder später zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang und dessen Zeitpunkt nachzuweisen.
Nach § 4 Abs. 1 Halbsatz 1 VwZG würde die Zustellung der (lt. Rb-A, s.o.) am 20. November 2000 zur Post gegebenen Einspruchsentscheidung möglicherweise trotz des Rückscheins vom 21. November erst am 23. November 2000 als bewirkt gelten und wäre dann die Klage vom 22. Dezember 2000 binnen der Monatsfrist eingegangen.
Bei Vorrang des von der Behörde i.S.v. § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 VwZG beweisbaren Zugangsdatums, das anhand des Rückscheins vom 21. November 2000 feststeht, wäre die erst am 22. Dezember 2000 eingegangene Klage verspätet erhoben.
Gemäß § 5 Abs. 2 VwZG genügt bei Zustellungen an Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften - wie hier die Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 4 (lt. Rb-A s.o.) - ein mit Datum und Unterschrift versehenes und an die Behörde zurückgesandte Empfangsbekenntnis. Nach § 5 VwZG würde als Datum der Zustellung das dabei vermerkte Datum gelten, hier also schon das auf dem Rückschein bei der Empfangsquittung "Sendung erhalten" vermerkte Datum 21. November 2000; auch danach könnte die erst am Freitag, den 22. Dezember ...