Entscheidungsstichwort (Thema)

RVG-VV: Terminsgebühr statt Erledigungsgebühr, keine Erweiterung der Erinnerung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Kostengläubiger kann seine Erinnerung im Unterschied zum Kostenschuldner nicht erweitern; das Gericht kann jedoch statt der mit der Erinnerung begehrten Gebühr bis zu deren Höhe eine andere Gebühr zusprechen.

2. Durch ein zur Vervollständigung der Abhilfe und Erledigung geführtes Telefonat kann eine Terminsgebühr gemäß Vorbem. 3 Abs. 3 Halbs. 1 letzte Alt. i. V. m. Nr. 3202 RVG-VV nach dem restlichen Streitwert entstehen, solange keine vollständige Abhilfe zugesagt ist.

3. Die zur Terminsgebühr führende Mitwirkung stellt nicht ohne weiteres eine besondere Mitwirkung dar, die für eine Erledigungsgebühr i. S. v. Nr. 1002 RVG-VV erforderlich ist.

 

Normenkette

FGO §§ 69, 149, 155; VwGO §§ 164-165, 173; ZPO § 104

 

Tatbestand

A.

Nach Abhilfe durch den Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) macht der Antragsteller und Erinnerungsführer (Antragsteller) mit der Erinnerung im Kostenfestsetzungsverfahren als Rechtsverfolgungskosten gesetzliche Gebühren (Erledigungsgebühr und Terminsgebühr) seines Verfahrensbevollmächtigten geltend. Die Beteiligten streiten über das Entstehen dieser Gebühren durch ein Telefonat des Verfahrensbevollmächtigten mit dem FA.

I.

Der Antragsteller ist ein gewerkschaftsnaher eingetragener Verein (e. V.), der sich insbesondere mit der Vertretung der Interessen seiner Mitglieder und anderer Aktionäre auf Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften beschäftigt und sich für eine verstärkte Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand durch Beteiligung am Arbeitgeber-Betrieb einsetzt.

Am 15. August 2011 erließ das FA gegenüber dem Antragsteller einen Bescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag und nahm darin Steuerfestsetzungen für 2010 und Festsetzungen von Vorauszahlungen vor (Finanzgerichtsakte Anlagenband --FG-A AnlBd-- Bl. 3 ff.).

Mit Bescheid vom selben Tag setzte das FA den Gewerbesteuermessbetrag für 2010 fest (FG-A AnlBd Bl. 8). Mit weiterem Bescheid vom selben Tag nahm das FA auch für die Gewerbesteuer Steuerfestsetzungen für 2010 und Festsetzungen von Vorauszahlungen vor (FG-A AnlBd Bl. 6 f.).

Zunächst legte der Antragsteller mit Schreiben vom 6. November 2011 beim FA Einspruch ein und beantragte gleichzeitig die AdV. Diesen AdV-Antrag lehnte das FA mit Schreiben vom 26. September 2011 ab (FG-A AnlBd Bl. 1 f.).

II.

1. Am 19. Oktober 2011 hat der Antragsteller durch seinen Verfahrensbevollmächtigten einen AdV-Antrag beim Finanzgericht (FG) bezüglich der erwähnten Bescheide (oben I.) gestellt, der sowohl die Steuerfestsetzungen wie auch die Vorauszahlungen umfasst hat. Die Bescheide seien nicht ausreichend begründet und es beständen Zweifel an der Einstufung des Vermögenszuwachses des Vereins als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Außerdem gefährde die Vollziehung der Bescheide die Existenz des Vereins und stelle deswegen eine unbillige Härte dar (Finanzgerichtsakte --FG-A-- Bl. 1 ff.)

2. Nach Zustellung dieser Antragsbegründung hat das FA durch Bescheid vom 4. November 2011 dadurch (teilweise) abgeholfen, dass es hinsichtlich der Steuerfestsetzungen für die Körperschaftsteuer, den Solidaritätszuschlags und die Gewerbesteuer für 2010, nicht jedoch hinsichtlich der Vorauszahlungen, die Vollziehung ausgesetzt hat (FG-A Bl. 15 f).

3. Mit Schriftsatz vom selben Tag hat das FA durch Schriftsatz mitgeteilt,

"dass dem Begehren des Antragstellers mit Schreiben vom heutigen Tag [...] entsprochen wurde. Einer etwaigen Erledigungserklärung des Antragstellers zur Hauptsache schließt sich der Antragsgegner bereits jetzt an" (FG-A Bl. 11).

4. Am 9. November 2011 hat der Verfahrensbevollmächtigte mit der zuständigen Sachbearbeiterin des FA ein Telefonat geführt, in dem ihm die Sachbearbeiterin nach Einsicht in ihre EDV mitgeteilt hat, dass der für die Vorauszahlungen zuständige Veranlagungsbezirk zwischenzeitlich die Vorauszahlungen für die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag auf null Euro herabgesetzt habe, die Vorauszahlungen für die Gewerbesteuer jedoch nicht. Sie werde den Verfahrensbevollmächtigten schriftlich über die Erledigung des Antrags hinsichtlich der Vorauszahlungen informieren (FA-A Bl. 12 f.).

5. Mit Schriftsatz vom 9. November 2011 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers mitgeteilt, er erkläre noch nicht für erledigt, weil die ebenfalls begehrte Aussetzung der Vollziehung der streitigen Bescheide im Hinblick auf die Vorauszahlungen nicht durch den AdV-Bescheid vom 4. November 2011 (oben A I 2) erfasst sei (FG-A Bl. 12 f.).

6. Mit Gewerbesteuermessbescheid vom 16. November 2011 hat das FA den festgesetzten Gewerbesteuermessbetrag aufgehoben. Mit Vorauszahlungsbescheiden vom selben Tag hat das FA auch die festgesetzten Vorauszahlungen für Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer aufgehoben (FG-A Bl. 57 ff.).

7. Mit Schriftsatz vom 18. November 2011 hat auch der Antragsteller das Ver...

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