Einigungs- und Erledigungsgebühr nur bei anwaltlicher Mitwirkung

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat die Entstehung einer Einigungs- und Erledigungsgebühr von der Feststellung einer konkreten anwaltlichen Mitwirkung an einer Einigung der Parteien bzw. an einer Erledigung des Rechtsstreits abhängig gemacht.

Im konkreten Fall beantragte ein Rechtsanwalt die Festsetzung einer Einigungs-, einer Erledigungs- sowie einer Terminsgebühr. Das OVG hat dies abgelehnt, weil der Anwalt nicht darlegen konnte, an einer Einigung bzw. Erledigung mitgewirkt zu haben.

Ablehnung der Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe

In dem Verfahren hatte der Anwalt einen abgelehnten Bewerber hinsichtlich einer angestrebten Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe vertreten. Die Ablehnung erfolgte wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung. Nach Klageerhebung hatte der Vorsitzende Richter des Verwaltungsgerichts (VG) die beklagte Bezirksregierung telefonisch auf die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheides hingewiesen. Die fehlende gesundheitliche Eignung des Bewerbers sei nicht nachvollziehbar.

Bezirksregierung hob angefochtenen Verwaltungsakt auf

Daraufhin hatte die Bezirksregierung ihren Ablehnungsbescheid aufgehoben. Sie Erklärte, sie werde bei der erstrebten Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe, dem Kläger die gesundheitliche Eignung nicht mehr entgegenhalten. Der Rechtsstreit ist daraufhin ohne mündliche Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt worden.

Im Kostenfestsetzungsbeschluss lediglich Verfahrensgebühr festgesetzt

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat darauf einen Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen. In diesem wurden eine Verfahrensgebühr des anwaltlichen Bevollmächtigten des Klägers festgesetzt. Der Anwalt legte Erinnerung ein. Er forderte die Festsetzung einer Einigungsgebühr, einer Erledigungsgebühr sowie einer Termingebühr. Die Erinnerung hatte keinen Erfolg. Auch die gegen den ablehnenden Beschluss des VG eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.

Keine hohen Anforderungen an Einigungsgebühr

Das OVG verneinte die Entstehung einer Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VV RVG. Diese Vorschrift führt zum Entstehen einer Einigungsgebühr des Rechtsanwalts für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Nach der Rechtsprechung genügt jede vertragliche Beilegung des Streits über materiellrechtliche Ansprüche. Ein protokollierter gerichtlicher Vergleich ist nicht erforderlich.

Einigungsgebühr kommt auch bei Erledigung in Betracht

Das OVG stellte klar, dass eine Einigungsgebühr grundsätzlich auch bei einer Beendigung eines Rechtsstreits durch übereinstimmende Erledigungserklärungen anfallen kann. Dies folge aus dem Zweck der Einigungsgebühr, die jede vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honorieren und dadurch einen Anreiz schaffen soll, einen Rechtsstreit schnell und ohne großen Aufwand zu erledigen. Die geringen Anforderungen für die Festsetzung bezweckten damit auch eine Entlastung der Gerichte.

Einigungsgebühr setzt Einigung über Rechtsansprüche voraus

Das OVG stellte aber auch klar, dass die Einigungsgebühr nicht völlig voraussetzungslos ist.

Die Einigungsgebühr entstehe nur, wenn die Parteien eine Einigung über materiellrechtliche Ansprüche erzielt hätten und sich der Rechtsstreit infolgedessen erledigt habe. Dies bedeute ein erkennbares Minimum der Mitwirkung des Anwalts an der Erledigung des Rechtsstreits.

Aufhebung des Verwaltungsakts ohne Zutun des Anwalts

Im konkreten Fall ist der Rechtsstreit nach Auffassung des OVG nicht durch eine materiellrechtliche Einigung der Parteien, sondern einseitig durch eine Art Anerkenntnis des Klageanspruchs durch die Beklagte beendet worden (Bay VGH, Beschluss v. 5.4.2017, 19 C 15.1844). Die behördliche Aufhebung des Ablehnungsbescheids sei allein Folge des telefonisch erteilten gerichtlichen Hinweises zu den Erfolgsaussichten der Klage. Der Anwalt habe an dem Gesamtvorgang in keiner Weise mitgewirkt. Die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Einigungsgebühr lägen damit nicht vor.

Erledigungsgebühr ebenfalls nicht entstanden

Die Festsetzung einer Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1002 Satz 1 VV RVG kam nach Auffassung des OVG ebenfalls nicht in Betracht. Auch hier sei im Hinblick auf die eingetretene Erledigung keine Mitwirkung des Anwalts erkennbar.

Die Erledigungsgebühr werde nur durch eine besondere Mitwirkung des Anwalts ausgelöst, die über die bereits mit der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG abgegoltene Einlegung des Rechtsbehelfs hinausgeht. Habe der Rechtsanwalt eine auf eine Aufhebung oder Abänderung eines Verwaltungsakts gerichtete Tätigkeit entfaltet und erfolge später eine Aufhebung oder Abänderung des Verwaltungsakts, so spreche allerdings eine tatsächliche Vermutung für die Ursächlichkeit der anwaltlichen Tätigkeit für die Aufhebung des Verwaltungsakts und damit für seine Mitwirkung.

Erledigung des Rechtsstreits ohne Mitwirkung des Anwalts

Diese Vermutung ist nach Auffassung des OVG im konkreten Fall widerlegt. Nach der Entwicklung des Rechtsstreits stehe fest, dass die Erledigung allein Folge des gerichtlichen Hinweises gegenüber der Beklagten war. Der Anwalt selbst habe an der Erledigung nach Einreichung der Klage nicht mitgewirkt. Damit sei eine Erledigungsgebühr nicht gerechtfertigt.

Auch Termingebühr scheidet aus

Schließlich lehnte das OVG auch den Antrag auf Festsetzung einer Termingebühr ab.

Gemäß Nr. 3104 VV RVG könne eine Termingebühr zwar auch dann entstehen, wenn in einem Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, eine Einigung erzielt wird oder eine Erledigung eintritt, ohne dass ein mündlicher Verhandlungstermin tatsächlich stattfindet. Gemäß Nr. 3104 VV RVG könne eine Termingebühr zwar auch ohne, dass ein mündlicher Verhandlungstermin tatsächlich stattfindet, entstehen. Sie entsteht, wenn in einem Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, eine Einigung erzielt wird oder eine Erledigung eintritt. Auch insoweit gelte jedoch, dass die Erledigung ohne jede Mitwirkung des Anwalts eingetreten und als Folge auch keine Termingebühr entstanden sei.

Ergebnis: Rechtsanwalt erhält lediglich Verfahrensgebühr

Im Ergebnis scheiterte die Beschwerde des Anwalts gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss damit.

(OVG Münster, Beschluss v. 24.3.2023, 6 E 997/21)


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