Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung nach § 138 FGO bei isolierter Aufhebung der Einspruchsentscheidung
Leitsatz (amtlich)
Verwaltungsakt und Einspruchsentscheidung bilden im Gerichtsverfahren grundsätzlich einen Verbund. Erhebt der Kläger eine - nicht isolierte - Anfechtungsklage und hebt die Finanzbehörde während des Klageverfahrens lediglich die, den Ursprungsbescheid nur bestätigende, Einspruchsentscheidung auf, ist damit dem prozessualen Anfechtungsbegehren des Klägers nicht stattgegeben. Erklären die Beteiligten gleichwohl den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, ist die Kostenentscheidung auch nicht teilweise nach § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO, sondern allein nach § 138 Abs. 1 FGO zu treffen.
Normenkette
FGO § 138 Abs. 1, 2 S. 1
Gründe
Im Streitfall hat das Gericht nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Entsprechend den übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten ist von der Erledigung des gesamten Rechtsstreits in der Hauptsache auszugehen. Das Gericht hat wegen der konstitutiven Wirkung der abgegebenen Erklärungen nicht zu prüfen, ob und inwieweit der Rechtsstreit tatsächlich eine Erledigung gefunden hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Juni 1972 - VII B 46/71 - BStBl II 1972, 706; vom 27. Juli 1988 - VI B 2/88 - BFH/NV 1989, 190 und vom 15. April 1986 - VII R 152/83 - BFH/NV 1986, 575).
Mit der vorliegenden Klage betreibt die Klägerin die Anfechtung der Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 1995 vom 27.05.1997. Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach einem Vorverfahren weiterhin der ursprüngliche Verwaltungsakt, nunmehr in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat, § 44 Abs. 2 FGO. Die Klägerin hat im Streitfall keine isolierte, nur auf die Einspruchsentscheidung vom 28.08.2002 bezogene, Anfechtungsklage erhoben.
Zur Überprüfung durch das Gericht steht nicht das Verwaltungshandeln, sondern die von der Verwaltung getroffene Regelung im Sinne des § 118 Satz 1 AO. Gegenüber dem Ausgangsbescheid trifft die Einspruchsentscheidung nur insoweit eine neue Regelung, wie gegebenenfalls eine Änderung reicht. Ursprünglicher Verwaltungsakt und Einspruchsentscheidung sind an sich separate Verwaltungsakte. Für die Beurteilung im Gerichtsverfahren bilden sie jedoch einen Verbund und eine Verfahrenseinheit in der Weise, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, d.h. mit dem Inhalt, zu beurteilen ist, den er durch die Einspruchsentscheidung erhalten hat (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Juni 1999 - VII B 303/98 - BFH/NV 1999, 1585 und BFH-Urteil vom 19. Mai 1998 - I R 44/97 - BFH/NV 1999, 314 sowie Tipke/Kruse-Tipke FGO § 44 Rd 16). Abweichend davon kann nach gefestigter Rechtsprechung zulässiger Gegenstand einer Anfechtungsklage allein die Einspruchsentscheidung sein, u.a. wenn sie einen Dritten erstmals beschwert oder wenn sich das Finanzamt mit einem Einspruch befasst hat, den der Kläger nicht eingelegt hat (vgl. Tipke/Kruse-Tipke aaO Rd 17 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).
Im Streitfall hat die Regelung der Umsatzsteuerbescheide vom 27.05.1997 durch die Einspruchsentscheidung keine inhaltliche Änderung erfahren. Gegenstand der Klage bleiben daher grundsätzlich die Ursprungsbescheide respektive die darin getroffene Regelung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht ausdrücklich eine nur auf die Kassation der Einspruchsentscheidung abzielende Klage erhoben wurde. Vorliegend wäre dies zulässig und sinnvoll (dazu nachfolgend) gewesen, da der Beklagte auf den Einspruch der Einzelunternehmerin G in Firma A eine Einspruchsentscheidung gegenüber der A Vermögensverwaltung KG erlassen hat. Damit hat der Beklagte einen von der KG nicht eingelegten Einspruch beschieden und diese hinsichtlich der Umsatzsteuer 1993 bis 1995 zur Verfahrensbeteiligten gemacht.
Mit der während des Klageverfahrens durch den Bescheid vom 15.02.2007 erfolgten Aufhebung (nur) der Einspruchsentscheidung vom 28.08.2002 hat der Beklagte dem dargestellten prozessualen Anfechtungsbegehren der Klägerin auf Kassation der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide nicht stattgegeben. Hierdurch wurde weder deren Existenz beseitigt, noch deren Regelungsgehalt geändert. Die Voraussetzung für die Anwendung der zwingenden Kostenregelung nach § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO sind damit im Streitfall nicht gegeben. Über die Kosten muss gemäß § 138 Abs. 1 FGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entschieden werden (vgl. BFH-Beschluss vom 02. März 1971 - VII R 74/68 - BStBl II 1971, 498).
Nach Würdigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entspricht es billigem Ermessen, die Kosten den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen. Hierbei ist der mutmaßliche Ausgang des Verfahrens für den Fall zu prognostizieren, dass die Beteiligten die Hauptsache nicht einvernehmlich für erledigt erklärt hätten.
Da die Einspruchsentscheidung gegenüber dem falschen Inhalts- und Bekanntgabeadressaten, der KG, ergangen war, ist sie nichtig oder zumindest rechtswidrig. Es ...