Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg für Rechtsschutz gegen die Vollstreckung österreichischer Straferkenntnisse (Geldbußen). Vollstreckung österreichischer Geldbußen wegen Nichtbenennung des Fahrers in der Bundesrepublik Deutschland (vorläufig) nicht möglich
Leitsatz (amtlich)
In Hamburg ist der Verwaltungsrechtsweg für einen Rechtsschutz gegen die Vollstreckung österreichischer Straferkenntnisse (Geldbußen) gegeben. Ein Verweisungsbeschluss an das Finanzgericht ist jedoch nicht greifbar gesetzwidrig.
Solange keine konkreten Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen wurden, ist vorläufiger Rechtsschutz im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung möglich.
Eine Vollstreckung österreichischer Geldbußen wegen Nichtbenennung des Fahrers ist in der Bundesrepublik Deutschland (vorläufig) nicht möglich. Sie kann gegen verfassungsrechtliche Grundsätze, wie dem Verbot des Zwangs zur Selbstbezichtigung oder dem Schutz des Kernbereichs des Angehörigenverhältnisses, verstoßen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung von Art. 6 EMRK und des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI des Rates der Europäischen Union.
Normenkette
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 2; GVG § 17 a Abs. 2 S. 3; HmbVwVG § 37 Abs. 1 Buchst. b, § 74 Abs. 2; Parkometergesetz 2006 §§ 2, 4 Abs. 2
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Zulässigkeit einer Vollstreckung im Wege der Amtshilfe in Verwaltungssachen.
Der Antragsteller ist Eigentümer und Halter des Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen HH-XX.
In Wien, Österreich, wurde das Kraftfahrzeug im Jahr 2007 in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone mehrfach abgestellt. Der Magistrat der Stadt Wien forderte den Antragsteller auf, darüber Auskunft zu geben, wem er das Kraftfahrzeug zu den bestimmten Zeitpunkten überlassen hatte. Der Antragsteller verweigerte die Angaben unter Berufung auf § 55 Strafprozessordnung (StPO). Der Magistrat der Stadt Wien erließ am 15.07.2008 (MA MA-1/... u. a.), 18.07.2008 (MA-2/... u. a.) und am 06.11.2008 (MA-3/... u. a.) Straferkenntnisse, mit denen er im österreichischen Verwaltungsstrafverfahren Geldstrafen und Kosten der Strafverfahren in Höhe von insgesamt 374,50 € festsetzte. Die Straferkenntnisse wurden rechtskräftig. Der Antragsteller zahlte hierauf nichts.
Der Magistrat der Stadt Wien ersuchte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 23.12.2008 und vom 31.03.2009, die Forderungen aus den Straferkenntnissen einzutreiben. In den Ersuchen bescheinigte der Magistrat der Stadt Wien in den jeweiligen Rückstandsausweisen die Vollstreckbarkeit der Rückstände.
Die Antragsgegnerin beauftragte am 01.09.2009 schriftlich den Vollziehungsbeamten, die Forderungen aus den Straferkenntnissen zu vollstrecken. Der Vollziehungsbeamte erließ am 01.09.2009 Vollstreckungsankündigungen. Danach sei der Vollziehungsbeamte beauftragt, bei dem Antragsteller wegen der Forderungen zu pfänden. Der Antragsteller könne die Pfändung noch abwenden, wenn er den Gesamtbetrag der zu vollstreckenden Forderungen zuzüglich Vollstreckungskosten in Höhe von insgesamt 446,15 € bis zum 10.10.2009 bei dem Vollziehungsbeamten persönlich einzahle oder auf ein Konto der Kasse Hamburg überweise. Am 01.09.2009 erschien der Vollziehungsbeamte bei dem Antragsteller. Der Antragsteller zahlte an den Vollziehungsbeamten allein Vollstreckungskosten in Höhe von 36,10 €.
Am 13.10.2009 legte der Antragsteller gegen die Vollstreckungsankündigungen vom 01.09.2009 Widerspruch ein. Am selben Tag beantragte der Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht Hamburg, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Über den Widerspruch hat die Antragsgegnerin noch nicht entschieden.
Das Verwaltungsgericht Hamburg hat nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 22.10.2009 (Aktenzeichen 10 V 2822/09), den Beteiligten zugestellt am 16.11.2009 bzw. 23.11.2009, den Rechtsstreit an das Finanzgericht Hamburg verwiesen. Rechtsmittel gegen den Beschluss legten die Beteiligten nicht ein.
Der Antragsteller ist der Auffassung, dass die Amtshilfe nicht geleistet werden dürfe. Die Amtshilfe sei im Sinne von Art. 4 Abs. 1 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen (BGBl II 1990, 358; im folgenden: Amtshilfeabkommen Österreich) unzulässig. Dem Antragsteller stehe wegen der Nichtbenennung des Fahrers ein Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrecht bei nahen Angehörigen zu. Dieses Recht zu Gunsten naher Angehöriger und zum Schutz vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung sei ein wesentliches, verfassungsrechtlich gebotenes Element der deutschen Rechtsordnung. Dieses Recht würde mit einem Vollzug der österreichischen Sanktion für die Zeugnisverweigerung in Deutschland unterlaufen. Die von ihm angegriffenen Maßnahmen seien konkrete Vollstreckungsmaßnahmen und demgemäß als Verwaltungsakte einzuordnen.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 13.10.2009 gegen die Vollstreckungsmaßnahmen vom 01.09.2009 (Vollstreckungsankündigu...