Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermessensfehlgebrauch des Finanzamts bei Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens - Ablehnung eines Ratenzahlungsbegehrens

 

Leitsatz (amtlich)

Die Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das Finanzamt ist grds. ermessensfehlerhaft, wenn es von weniger einschneidenden Vollstreckungsmaßnahmen keinen Gebrauch macht. Nicht ermessensfehlerhaft ist es hingegen, wenn das Finanzamt ein Ratenzahlungsbegehren des Steuerpflichtigen mit Verweis auf die Vorschriften zur Insolvenzanfechtung (§§ 130 ff. InsO) ablehnt, wenn es aufgrund der vom Steuerpflichtigen abgegebenen Vermögensauskunft bzw. der eingereichten Einkommens- und Vermögensübersicht Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen sowie der Existenz weiterer Gläubiger hat.

 

Normenkette

AO § 258; FGO § 102; InsO § 130

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen einen vom Antragsgegner gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Die A ... GmbH & Co. KG (A) schuldet dem Antragsgegner Steuern und steuerliche Nebenleistungen. Persönlich haftende Gesellschafterin der A war zunächst die B ... GmbH (B-GmbH). Mit Eintragung im Handelsregister am ... 2013 wurde diese abgelöst durch die ... GmbH, nach Umfirmierung C ... GmbH (C-GmbH). Geschäftsführer sowohl der B-GmbH als auch der C-GmbH war der Antragsteller.

Mit Haftungsbescheid vom 15. Dezember 2014 nahm der Antragsgegner den Antragsteller bezüglich von der A geschuldeter Umsatzsteuer nebst Verspätungs- und Säumniszuschlägen im Hinblick auf seine Geschäftsführertätigkeit der B-GmbH als Komplementärin der A i. H. v. ... € in Anspruch. Im Rahmen des diesbezüglich geführten Einspruchsverfahrens stellte der Antragsgegner den vollständigen Zahlungseingang der fälligen Steuerschulden fest und widerrief mit Wirkung für die Zukunft das ebenfalls ausgebrachte Leistungsgebot. Den Einspruch gegen den Haftungsbescheid wies er als unbegründet zurück.

Am 29. Dezember 2014 erließ der Antragsgegner einen weiteren Haftungsbescheid gegenüber dem Antragsteller bezüglich seiner Geschäftsführertätigkeit bei der C-GmbH als Komplementärin der A für trotz eingereichter Umsatzsteuer-Voranmeldungen nicht gezahlte Umsatzsteuer, festgesetzte Verspätungszuschläge sowie Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer in den Jahren 2011 bis 2013 in Höhe von insgesamt ... € (Umsatzsteuer und Verspätungszuschläge i. H. v. ... €, Säumniszuschläge i. H. v. ... €). Einen dagegen gerichteten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner ab. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens reduzierte er die Haftungssumme aufgrund von zwischenzeitlich erfolgten Zahlungseingängen auf ... € (Umsatzsteuer und Verspätungszuschläge i. H. v. ... €, Säumniszuschläge i. H. v. ... Euro).

Am 28. Juli 2016 erließ der Antragsgegner einen dritten Haftungsbescheid, mit welchem er den Antragsteller in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der C-GmbH als Komplementärin der A für nicht abgeführte Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer, Lohnkirchensteuer sowie Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt ... € in Haftung nahm.

Einen von der A gestellten Antrag auf (teilweisen) Erlass der verwirkten Säumniszuschläge lehnte der Antragsgegner ab. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.

Am 19. Februar 2015 begann der Antragsgegner mit der Vollstreckung, indem es ein Vollstreckungsersuchen an das für den Antragsteller zuständige Wohnsitzfinanzamt richtete. Dieses blieb erfolglos, da der Vollziehungsbeamte den Antragsteller unter der angegebenen Adresse nicht ermitteln konnte. Auf die am 29. April 2015 sowie am 28. Oktober 2015 ausgebrachten Pfändungs- und Einziehungsverfügungen teilte die Bank D, ..., in zwei Drittschuldnererklärungen mit, dass die gepfändete Forderung lediglich i. H. v. ... € auf einem Gemeinschaftskonto mit Einzelverfügungsbefugnis bestehe. Auf weiteres Vollstreckungsersuchen vom 9. Februar 2017 traf der Vollziehungsbeamte den Antragsteller am 1. März 2017 nicht in seiner Wohnung an. Der Vollziehungsbeamte hinterlegte eine Zahlungsaufforderung nebst Ankündigung eines weiteren Vollstreckungsversuches am 10. März 2017. Mit Schreiben vom 2. März 2017 teilte der Antragsteller mit, dass sich ihm Sinn und Zweck weiterer Vollstreckungsmaßnahmen nicht erklärten. Er habe bereits eine Vermögensauskunft abgegeben. Am 21. März 2017 nahm der Vollziehungsbeamte ein Protokoll über die Feststellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers sowie ein Protokoll über eine fruchtlose Pfändung auf. Im Rahmen der Vermögensauskunft gab der Antragsteller an, aus seiner Geschäftsführertätigkeit bei der E-GmbH Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit i. H. v. ... € monatlich zu beziehen. Aus weiteren Geschäftsführertätigkeiten beziehe er keine Einkünfte. Daneben halte er an der F GmbH eine stille Beteiligung im Wert von ... € bis ... €. Gegenüber anderen Gläubigern bestünden unbestrittene sonstige Verbindlichkeiten ...

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