Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit der Klagerücknahme bei zwischenzeitlich ergangenem Urteil
Leitsatz (amtlich)
Die Unwirksamkeit einer Klagerücknahme kann nicht mehr im Wege mündlicher Verhandlung gemäß § 72 Abs. 3 Satz 3 FGO geltend gemacht und durch Urteil entschieden werden, wenn bei einer Klageverbindung und Beiladungsbegrenzung wegen einheitlicher Feststellung nach Rücknahmeerklärung der Klägerin sowie Einstellungs- und Abtrennungsbeschluss zwischenzeitlich über die Klage eines verbliebenen Klägers verhandelt worden und ein Urteil über die einheitliche Feststellung ergangen ist, dessen Rechtskraft sich infolge der Beiladungsbegrenzung auf die frühere Klägerin erstreckt.
Die Gehörsrüge-Gegenvorstellung ist nach mehr als zwei Wochen seit dem Einstellungs- und Abtrennungsbeschluss verfristet.
Die Gehörsrüge ist im Übrigen unbegründet, wenn die Unwirksamkeit der Klagerücknahme infolge Verwirkung nicht mehr geltend gemacht werden kann.
Die entsprechende Anwendung der Wiedereinsetzungs-Fristregelung § 56 Abs. 3 FGO kann keine längere Frist als bis zu einem das Gericht gemäß § 155 FGO i.V.m. § 318 ZPO bindenden Urteil eröffnen.
Für die Wirksamkeit einer Klagerücknahme ist nicht stets eine uneingeschränkte wörtliche Formulierung erforderlich. Ein "Vorbehalt, keine Nachteile zu haben," kann anstelle einer schädlichen Bedingung als unschädlicher Ausdruck für die (Geschäfts-)Grundlage der Prozesserklärung ausgelegt werden.
Normenkette
AO § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 2; FGO § 56 Abs. 3, § 60 Abs. 3, §§ 60a, 72-73, 110, 133a, 155; ZPO §§ 318, 321a
Tatbestand
A. Die Antragstellerin und frühere weitere Klägerin (Antragstellerin) wendet sich mit ihrem am 18. Februar 2005 eingegangenen Antrag gegen den Beschluss des Berichterstatters vom "5. Juli" (gemeint: 9. August) 2004 über die Abtrennung und Einstellung ihres Klageverfahrens wegen von ihr am 7. (eingeg. 9.) August 2004 erklärter Klagerücknahme und macht geltend, die Rücknahmeerklärung sei unwirksam.
I. Die streitige Klagerücknahme betrifft die Klage der Antragstellerin wegen Einkünftefeststellung 1996-1997 für atypisch stille Gesellschafter der Euro Kapitalbeteiligungs-AG.
1. Die Antragstellerin trat der Euro Kapitalbeteiligungs-Aktiengesellschaft für Investitionen in Elektrizitätswerke und Umwelttechnik (EKAG) als atypisch stille Gesellschafterin bei und hat mit ihrer Klage die Berücksichtigung der ihr im Beitritts- und Streitjahr zugewiesenen Verluste in Höhe von 100 % ihrer Einlage begehrt, hilfsweise die Berücksichtigung des nicht anerkannten Teils der Verluste aus dem Beitrittsjahr im Folgejahr oder im Jahr der Konkurseröffnung 1997.
Die Antragstellerin zeichnete am 28. November 1996 eine Beteiligung nach Maßgabe des im Anhang des Emissionsprospekts (vom 31. August 1996) abgedruckten Gesellschaftsvertrags (vom 1. Oktober 1995) als atypisch stille Gesellschafterin Typ S (mit Steuervorteil) in Höhe von 10.000 DM plus 5 % Agio 750 DM unter der Vertragsnummer ...6. Sie leistete ihre Einlage im Dezember 1996. Nach Annahme ihrer Beteiligung durch die EKAG wurde die Einlage der Antragstellerin per Ende 1996 mit den ihr durch die Gesellschaft zugewiesenen Verlusten verrechnet (Finanzgerichts-Akte -FG-A- III 383/01 Bl. 24R).
2. Den gegen den negativen Gewinnfeststellungsbescheid 1996 vom 1. Juli 1999 am 27. Juli 1999 eingelegten Einspruch wies der Beklagte (das Finanzamt -FA-) mit Einspruchsentscheidung vom 3. April 2001 zurück (FG-A Bl. 12).
3. Binnen eines Monats nach Bekanntgabe bzw. Zustellung ist die Klage der Antragstellerin am 4. Mai 2001 eingegangen (FG-A III 383/01 Bl. 2).
4. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23. Dezember 2003 III 383/01 hat der Senat alle damals anhängigen Klagen wegen Einkünftefeststellung für die atypisch stillen Gesellschafter der EKAG 1996 gemäß § 73 Abs. 2 i.V.m. § 60 Abs. 3 FGO miteinander verbunden und den Konkursverwalter der EKAG beigeladen (FG-A III 383/01 Bl. 275; Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2004, 671 u. 577, DStRE 2004, 599 u. 589).
5. Mit gleichlautendem Beschluss vom 23. Dezember 2003 III 383/01 wegen1996/1997, III 302/01 wegen 1995, III 443/01 wegen 1994, III 465/01 wegen 1993, III 299/01 wegen 1992 und III 111/02 wegen 1991 hat der Senat beschlossen, zu diesen Klageverfahren für die einzelnen Streitjahre gemäß der Regelung des § 60a FGO zur Beiladungsbegrenzung nur diejenigen atypisch still beteiligten Gesellschafter beizuladen, die dies bis zum 30. April 2004 beantragen. Der Beschluss wurde auf der Homepage des FG unter "Aktuelles" sowie am 7. Januar 2004 im Bundesanzeiger (Nr. 3 S. 143 zu 4.d) und in der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (S. A1), am 9./10. Januar 2004 in der Zeitung "Handelsblatt" (S. 34) und am 12. Januar 2004 in der Zeitung "Die Welt" (S. 13) veröffentlicht (FG-A III 383/01 u.a. Sonderbd. § 60a FGO; FG-A III 383/01 Bl. 287).
6. In allen genannten Klageverfahren ist kein Beiladungsantrag gestellt worden; hierauf ist mit gleichlautenden Beschlüssen vom 3. Mai 2004 hingewiesen worden (FG-A II...