Entscheidungsstichwort (Thema)
EuGH-Vorlage: Zollschuldentstehung infolge fehlender Buchung der Warenentnahme aus dem Zolllager im Bestandsverzeichnis
Leitsatz (amtlich)
Der Gerichtshof der Europäischen Union wird im Hinblick auf folgende Fragen um Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Wege der Vorabentscheidung ersucht:
Ist Art. 204 Abs. 1 Buchst. a) der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK) dahin auszulegen, dass bei Nichtgemeinschaftsware, die sich im Zolllagerverfahren befunden hat und die mit Beendigung des Zolllagerverfahrens eine neue zollrechtliche Bestimmung erhalten hat, die Verletzung der Pflicht, die Entnahme der Ware aus dem Zolllager in dem dafür vorgesehen EDV-Programm bereits bei Beendigung des Zolllagerverfahrens - und nicht erst wesentlich später - anzuschreiben, zur Entstehung einer Zollschuld für die Ware führt?
Normenkette
ZK Art. 204
Nachgehend
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten in diesem Verfahren darüber, ob für wiederausgeführte Drittlandswaren Einfuhrabgaben festgesetzt werden dürfen im Hinblick darauf, dass die Klägerin, die die Ware in ihr Zolllager genommen hatte, zollrechtliche Bestandsaufzeichnungen nicht korrekt geführt hatte.
1. Die Klägerin nahm in ihrem Zolllager im Transit befindliche Waren ihrer Kunden auf und stellte sie zu Sendungen in verschiedene osteuropäische Länder zusammen. Die Lagerdauer betrug durchschnittlich mehr als sechs Wochen. Die jeweiligen Sendungen sind von in den Bestimmungsländern ansässigen Fuhrunternehmen ab Lager der Klägerin übernommen worden. Mit der Entnahme der streitgegenständlichen Ware aus dem Zolllager sind Zollanmeldungen für die Wiederausfuhr abgegeben und die Ware aus dem Gemeinschaftsgebiet ausgeführt worden. In den nach der Bewilligung des Zolllagers zu führenden Bestandsaufzeichnungen sind die Entnahmen erst 11 bis 126 Tage nach der Entnahme und damit nach Art. 105 ZK i.V.m. Art. 529 f der Zollkodex-Durchführungsverordnung - ZK-DVO - verspätet gebucht worden.
2. Mit dem streitgegenständlichen Einfuhrabgabenbescheid vom 1. Juli 2008 setzte der Beklagte Zoll-EU und Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) fest. Nach Erlass eines Teils der Abgaben mit Bescheid vom 11. August 2009 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 8. Dezember 2009 im Übrigen als unbegründet zurück, weil die verspäteten Buchungen in den Bestandsaufzeichnungen als Pflichtverletzung im Rahmen des Zolllagerverfahrens zu einer Zollschuldentstehung nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a) ZK führten. Die Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestandes nach Art. 204 Abs. 1, 2. HS ZK seien nicht erfüllt, die Pflichtverletzung habe sich auf die ordnungsgemäße Abwicklung ausgewirkt (Art. 859 ZK-DVO). Das Verfahren wegen des von der Klägerin gestellten Antrags auf Erlass der erhobenen Einfuhrabgaben (Art. 239 ZK) ist beim Beklagten ruhend gestellt worden bis zu einer abschließenden Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheids.
3. Die Klägerin erhob fristgerecht Klage beim Finanzgericht Hamburg. Die Klägerin macht zur Frage der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheids u.a. geltend, die unstreitig verspäteten Buchungen der Entnahmen aus dem Zolllager in den Bestandsaufzeichnungen stellten keine Pflichtverletzung im Sinne des Art. 204 Abs. 1 Buchst. a) ZK dar, weil es sich bei der Pflicht zur Buchung von Entnahmen aus den Bestandsaufzeichnungen gemäß Art. 105 ZK in Verbindung mit Art. 530 Abs. 3 ZK-DVO um eine Pflicht handele, die erst nach Beendigung des Zolllagerverfahrens zu erfüllen sei.
Die Klägerin beantragt, den Einfuhrabgabenbescheid vom 1. Juli 2008 (Nr. .....) in Gestalt des Änderungsbescheids vom 11. August 2009 (Nr. .....) und der Einspruchsentscheidung vom 8. Dezember 2009 (Nr. .....) aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, bei den gemäß Art. 105 ZK zu führenden Bestandsaufzeichnungen handele es sich nicht um eine "nachverfahrensmäßige" Pflicht. Die Anschreibung in den Bestandsaufzeichnungen habe vielmehr noch während des Zolllagerverfahrens zu erfolgen (gemäß Art. 530 Abs. 3 ZK-DVO spätestens zu dem Zeitpunkt, in dem die Waren das Zolllager verlassen) bzw. zeitgleich mit der Beendigung des Verfahrens, weil gemäß Art. 529 Abs. 1 ZK-DVO der jeweils noch im Zolllagerverfahren befindliche Warenbestand aus den Bestandsaufzeichnungen jederzeit ersichtlich sein müsse. Das Zolllagerverfahren sei vorliegend erst nach Entnahme der Nichtgemeinschaftswaren mit der zollamtlichen Überlassung zum Versandverfahren als neuer zollrechtlicher Bestimmung beendet worden.
II.
Der beschließende Senat setzt das Verfahren in analoger Anwendung des § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Satz 1 Buchst. b) des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union die im Tenor genannte Frage zur Vorabentscheidung vor. Nach Auffassung des beschließenden Senats sind f...