Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld/Finanzgerichtsordnung: Keine fristgerechte Klageerhebung gegen die Familienkasse durch Anbringung der Klage beim Finanzamt
Leitsatz (amtlich)
Die Anbringung der Klage bei dem Finanzamt führt nicht zu einer fristgerechten Klageerhebung i.S.d. § 47 Abs. 2 FGO, da das Finanzamt - ungeachtet der steuerrechtlichen Regelung des Kindergelds - nicht diejenige Behörde ist, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.
Normenkette
FGO §§ 47, 54; ZPO § 222; BGB § 187
Tatbestand
Im Streit ist die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung geleisteten Kindergelds.
Mit Bescheid vom 3.2.2004 hob der Beklagte gegenüber der Klägerin die Kindergeldfestsetzung für die Tochter A mit Wirkung ab Januar 2003 auf und forderte das für die Monate Januar bis April 2003 geleistete Kindergeld zurück (Bl. 555 KG-A). Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei und insbesondere keine Nachweise über die Einkunftsverhältnisse von A vorgelegt habe. Auf den hiergegen unter dem 4.3.2004 erhobenen Einspruch der Klägerin entschied der Beklagte mit am selben Tag zur Post aufgegebener Einspruchsentscheidung vom 19.8.2004 (Bl. 580 KG-A). Die Klägerin habe die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 Einkommensteuergesetz nicht nachgewiesen. Dies betreffe vor allem die Nachweise über die Beendigung der Schulausbildung an der Kosmetikschule ..., den Bezug von BAFöG-Leistungen und die Aufnahme einer Berufsausbildung im Oktober 2003.
Die von der Klägerin unter dem 17.9.2004 gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 3.2.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.8.2004 gefertigte Klage ging am 17.9.2004 beim Finanzamt Hamburg-1 ein und wurde von dort über das Finanzamt Hamburg-2 an das Finanzgericht Hamburg weitergeleitet. Dort ging die Klage am 24.9.2004 ein (Bl. 1 GA).
Dem Gericht liegt die Kindergeldakte - Bd. 4 - zu der Kindergeldnummer ... vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig.
Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (§ 47 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die Frist für die Erhebung der Klage gilt als gewahrt, wenn die Klage bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt oder die angefochtene Entscheidung erlassen hat, innerhalb der Frist angebracht wird (§ 47 Abs. 2 FGO).
Nach diesen Grundsätzen ist die vorliegende Klage - mit der Folge der Unzulässigkeit - nicht fristgerecht erhoben worden.
Die Einspruchsentscheidung vom 19.8.2004 gilt nach der Fiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung -AO- der Klägerin als am 23.8.2004 bekannt gegeben (vgl. BFH-Urteil vom 6. Oktober 2004, Az: IX R 60/03, nv). Die Klagefrist begann damit am 24.8.2004 (vgl. § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Zivilprozessordnung -ZPO- und § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) und endete am 23.9.2004 (vgl. § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 ZPO und § 187 Abs. 2 BGB). Die Klage vom 24.9.2004 (Eingang bei Gericht) ist somit nach Ablauf der Klagefrist erhoben worden.
Die Anbringung der Klage am 17.9.2004 bei dem Finanzamt Hamburg-1 (FA) führte nicht zu einer fristgerechten Klageerhebung i.S.d. § 47 Abs. 2 FGO, da das FA - ungeachtet der steuerrechtlichen Regelung des Kindergelds - nicht diejenige Behörde ist, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat. Maßgebliches Datum der Klagerhebung ist somit der Tag des Eingangs der Klage bei dem entscheidenden Gericht.
Der Klägerin ist wegen Versäumung der Klagefrist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO zu gewähren. Die Klägerin hat die Klagefrist nicht unverschuldet versäumt, § 56 Abs. 1 FGO. Insofern unterstellt das Gericht zu Lasten der Klägerin, dass dieser aufgrund der jahrelangen Erfahrung im Umgang mit dem Beklagten bekannt ist, dass das FA eine von der Familienkasse zu unterscheidende, andere Behörde ist und dass die dortige Einreichung der Klageschrift insoweit nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Klageerhebung genügt. Die Klägerin durfte insofern auch nicht darauf vertrauen, dass die Klageschrift vom FA rechtzeitig an das Finanzgericht weitergeleitet werden würde. Vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass unabhängig davon ein schuldhaftes Zögern aufseiten des FA nicht zu erkennen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Der Berichterstatter entscheidet gemäß § 79a Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 FGO durch Gerichtsbescheid ohne Möglichkeit einer Revisionszulassung.
Fundstellen