Revision eingelegt (BFH III R 48/19)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für ein erkranktes Kind, welches sich aus gesundheitlichen Gründen nicht um einen Ausbildungsplatz bemühen kann
Leitsatz (redaktionell)
Ein Kind das ausbildungswillig ist, aber zeitweise wegen einer Erkrankung nicht in der Lage, sich um einen Ausbildungsplatz zu bemühen, ist es ebenso zu behandeln wie ein Kind, das sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, einen solchen aber nicht findet und deshalb nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen ist.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin für ihre am ... 1997 geborene Tochter trotz deren Erkrankung ein Anspruch auf Kindergeld für den Zeitraum August 2017 bis Juli 2018 zusteht.
Die Klägerin erhielt fortlaufend Kindergeld für ihre Tochter. Zuletzt bewilligte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 8. Dezember 2015 Kindergeld, nachdem die Klägerin eine Schulbescheinigung vom 1. Dezember 2015 vorgelegt hatte, ausweislich derer ihre Tochter die Klasse 11 besuchte und die Schulausbildung voraussichtlich im Juni 2018 beenden werde.
Durch Bescheid vom 11. Juli 2018 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes ab August 2018 auf und begründete dies damit, dass die Tochter nach den ihr vorliegenden Unterlagen im Monat Juli 2018 ihre Schulausbildung beenden werde.
Auf einem durch die Beklagte übersandten Formblatt zu den Verhältnissen eines über 18 Jahre alten Kindes erklärten die Klägerin und ihre Tochter daraufhin unter dem 19. August 2018, die Tochter habe die Schule im Juli 2017 "nach der 12.ten aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen". Sie werde voraussichtlich frühestens Mitte nächsten Jahres ihre Ausbildung fortsetzen können. Aus einem beigefügten ärztlichen Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. A ergibt sich, dass die Tochter der Klägerin vom 26. Oktober bis zum 17. Januar 2018 in stationärer Behandlung und nach der Entlassung weiterhin nicht arbeitsfähig war. Es lägen psychische Erkrankungen vor. Ausweislich einer Aufenthaltsbescheinigung der B Klinik in C befand sich die Tochter der Klägerin überdies vom 10. Januar bis 22. Februar 2017 dort in stationärer Behandlung.
Mit Schreiben vom 2. Oktober 2018 übersandte die Klägerin eine Bescheinigung, der zufolge ihre Tochter ab dem 17. September 2018 für die Dauer eines Jahres ein Freiwilliges Soziales Jahr in der xxx ableistet, sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Dr. A vom 13. September 2018, aus der sich ergibt, dass die Arbeitsunfähigkeit der Tochter der Klägerin voraussichtlich bis einschließlich 14. September 2018 andauere. Des Weiteren erklärte die Tochter der Klägerin unter dem 19. Oktober 2018 auf einem Formblatt der Beklagten, sie beabsichtige, sobald ihr Gesundheitszustand es zulasse, sich zum nächstmöglichen Beginn um einen Ausbildungsplatz zu bewerben, die durch die Erkrankung unterbrochene Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt fortzusetzen beziehungsweise zu wiederholen und mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr zu starten und im Anschluss eine Ausbildung aufzunehmen. Ausweislich einer ärztlichen Bescheinigung von Dr. A vom 12. Oktober 2018 war die Tochter der Klägerin seit dem 26. Oktober 2017 erkrankt. Die Erkrankung ende voraussichtlich im September 2018.
Durch Bescheid vom 8. Oktober 2018 setzte die Beklagte Kindergeld für die Tochter der Klägerin ab September 2018 fest.
Nach Anhörung hob die Beklagte durch Bescheid vom 5. Dezember 2018 die Festsetzung des Kindergeldes für die Tochter der Klägerin für den Zeitraum von August 2017 bis Juli 2018 auf und forderte das in diesem Zeitraum gezahlte Kindergeld in Höhe von 2.318 € zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Tochter der Klägerin habe ihre Schulausbildung im Juli 2017 abgebrochen. Eine Willenserklärung, sich nach der Genesung zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu bewerben, liege nicht vor bis zum Beginn des Freiwilligen Sozialen Jahres.
Dagegen legte die von ihrem jetzigen Prozessbevollmächtigten vertretene Klägerin mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 Einspruch ein. Diesen begründete sie wie folgt: In der Zeit von August 2017 bis Juli 2018 sei die Tochter der Klägerin schwer erkrankt und zum Teil in stationärer Behandlung gewesen. Das Kind leide spätestens seit 2014 an emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen. Hieraus hätten sich erhebliche Probleme in der Schulausbildung ergeben, bedingt auch durch die weit überdurchschnittlichen kognitiven Fähigkeiten des Kindes (Gesamt-IQ 136). Nach der Wiederholung der 10. Schulklasse wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten sei eine Umschulung von einem Gymnasium in eine Gesamtschule erfolgt, um die Möglichkeit zu erhalten, ein Jahr länger bis zum Erwerb des Abiturs ausgebildet zu werden. Während ihre Tochter im Schuljahr 2016/2017 die 12. Klasse an der Gesamtschule xxx besucht habe, habe sich die psychische Verfassung verschlechtert und man habe sich um eine stationäre Behandlung in der B Klinik in C ...