Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen für den Erlass eines Zwischen-Gerichtsbescheides
Leitsatz (redaktionell)
Über die Zulässigkeit einer Klage und die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis der Klagefrist kann durch Zwischen-Gerichtsbescheid entschieden werden.
Normenkette
FGO §§ 56, 90a, 97
Tatbestand
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist zwischen den Beteiligten streitig, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis der Klagefrist zu gewähren ist.
Der Kläger erhob am 2.1.2002 mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom gleichen Tage Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 18.1.2001. Gegen diesen Bescheid hatte er am 20.2.2001 Einspruch eingelegt, die Einspruchsentscheidung, die dem Einspruch nur teilweise abhalf, wurde am 15.11.2001 zur Post gegeben.
Der Kläger trägt vor, er sei am 13.12. 2001 schwer erkrankt und leide seitdem an einer Lungenentzündung. Es habe der Verdacht bestanden, dass er an offener Tuberkulose gelitten habe. Er sei bis zum 31.12.2001 arbeitsunfähig krank gewesen. Wegen der mit der Erkrankung einhergehenden Schwäche, Fieber und Hinfälligkeit sei es ihm nicht möglich gewesen, den angefochtenen Bescheid fristgerecht anzugreifen. Die Einspruchsentscheidung sei ihm am 19.11.2001 zugegangen.
Der Kläger beantragt, ihm im Wege eines Zwischenurteils wegen der Versäumnis der Klagefrist gegen die Einspruchsentscheidung vom 15.11.2001 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Der Beklagte trägt vor, dass der Kläger bisher nicht dargelegt habe, zu welcher Uhrzeit er am 16., 17. und 19.11. 2001 seinen Briefkasten kontrolliert habe. Die Zweifel an einer schuldlosen Verhinderung an einer fristgerechten Klageerhebung bestünden noch, da die vorgelegten ärztlichen Atteste eine genaue Diagnose vermissen ließen und der Kläger nach den vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in der Lage gewesen sei, sich am 17.12.und 20.12.2001 in der Praxis seines Arztes vorzustellen.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat entscheidet über die Wiedereinsetzung durch Zwischen-Gerichtsbescheid gem. § 90a i.V.m. § 97 FGO, der ebenso wie ein Zwischenurteil (§ 97 FGO) vorab ergehen kann (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 1993 XI R 17/93, BFHE 172, 493, BStBl II 1994, 439). Danach kann das Gericht über die Zulässigkeit der Klage, die im Streitfall davon abhängt, ob dem Kläger wegen der Versäumnis der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird, vorab entscheiden.
II. Die Klage ist zulässig. Dem Kläger wird wegen der versäumten Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt
1. Der Lauf der Klagefrist begann gemäß § 47 Abs. 1 FGO mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung. Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt die Einspruchsentscheidung am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, wenn sie nicht später zugegangen ist. Im Streitfall hat der Kläger durch eidesstattliche Versicherung vom 5.4.2002 glaubhaft gemacht, dass ihm die Einspruchsentscheidung, die am 15.11.2001 zur Post gegeben wurde, erst am 19.11. 2001 zugegangen ist. Da es sich bei dem 19.11.2001 um einen Montag handelte, ist es unter Berücksichtigung der üblichen Postlaufzeiten nachvollziehbar, dass die Postsendung nicht bereits früher, nämlich schon am 16. oder 17. 11 (Freitag, Samstag) zugegangen ist. Endet die Dreitagefrist an einem Tag, an dem keine Post zugestellt wird, so ist die Behauptung des Steuerpflichtigen, ihn habe die Sendung erst am darauffolgenden Werktag erreicht, von Bedeutung (vgl. Tipke/Kruse, AO, FGO, Kommentar, 16. Aufl., Rz. 61 zu §122 AO) und begründet einen ausreichend substantiierten Vortrag, der die gesetzliche Vermutung des § 122 Abs. 2 AO erschüttert. Der Senat geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass im privaten Bereich der Hausbriefkasten täglich kontrolliert wird. Dass die Einspruchsentscheidung früher als am 19.11.2001 zugegangen ist, hat nach § 122 Abs. 2, 2. HS AO der Beklagte zu beweisen. Er hat diesen Beweis nicht führen können.
Die Klagefrist lief deshalb gem. § 54 Abs. 2 FGO, § 222 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1 188 Abs. 2 BGB am 19.12.2001 ab. Dementsprechend wurde die Klage mit Klageschrift vom 2.1.2002, am gleichen Tag bei Gericht eingegangen, verspätet erhoben.
2. Nach § 56 Abs. 1 FGO ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gemäß § 56 Abs. 2 FGO ist der Wiedereinsetzungsantrag innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen sowie durch Vortrag der entsprechenden Tatsachen zu begründen und binnen gleicher Frist die versäumte Handlung nachzuholen. Die Tatsachen sind im Verfahren über den Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen.
Der Kläger war ohne Verschulden aufgrund Krankheit und damit einhergehender Belastungen verhindert, die Rechtsbehelfsfrist einzuhalten. Er hat auch rechtzeitig vor Ablauf eines Monats nach Wegfall des Hindernisses die Wiederein...