Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VII B 20/19)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Energiesteuerentlastungen: Übergabe der Kopien von Entlastungsanträgen im Rahmen einer Außenprüfung als eigene fristwahrende Antragstellung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Übergabe der Kopien von Entlastungsanträgen im Rahmen einer Außenprüfung kann unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Einzelfalls, insbesondere einer langjährigen Antragstellungspraxis des Steuerpflichtigen, eine eigene, fristwahrende Antragstellung darstellen.

 

Normenkette

EnergieStG §§ 51, 53-54; EnergieStV §§ 95, 98, 100; AO §§ 85-86, 150

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.08.2023; Aktenzeichen VII R 1/23 (VII R 44/19))

BFH (EuGH-Vorlage vom 08.06.2021; Aktenzeichen VII R 44/19)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erteilung von Energiesteuerentlastungen für die Monate August bis November 2010.

Die Klägerin betrieb im Streitzeitraum in ihren Raffinerien unter anderem Energieerzeugungsanlagen mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als 2 MW. Sie reichte über Jahre hinweg regelmäßig monatliche Steueranmeldungen nach dem Energiesteuergesetz (EnergieStG) beim Hauptzollamt (HZA) Hamburg-1 ein und beantragte gleichzeitig monatliche Steuerentlastungen nach den §§ 51, 53 und 54 EnergieStG. Die von der Klägerin verwendeten Registrierzeichen der Anmeldungen und Anträge ergaben eine fortlaufende Nummernfolge. Die Schreiben versandte die Klägerin mit einfachem Brief. Das HZA Hamburg-1 erteilte über Entlastungsanträge keine schriftlichen Steuerbescheide, sondern überwies die Entlastungen direkt auf das stets gleiche Bankkonto der Klägerin. Dass die Klägerin im Jahr 2010 durchgängig die nicht die Antragstellung betreffenden Tatbestandsvoraussetzungen der Entlastungsvorschriften erfüllte, ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Für die Monate August bis November 2010 wurden die Entlastungsanträge bei der Klägerin jeweils im Folgemonat erstellt und unterzeichnet. Ein Eingang dieser Anträge beim HZA Hamburg-1 konnte nicht festgestellt werden; infolgedessen erstattete dieser der Klägerin die betreffenden Entlastungsbeträge nicht. Die Anträge nach § 51 EnergieStG beliefen sich auf insgesamt ... €, nach § 53 EnergieStG insgesamt auf ... € sowie nach § 54 EnergieStG auf insgesamt ... €.

Aufgrund der Prüfungsanordnung vom 8. Februar 2011 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung betreffend die in 2010 "vom Hauptzollamt gewährten Energie- und Stromsteuervergünstigungen" statt. Ca. Mitte 2011 übergab die Klägerin den Außenprüfern einen Leitzordner "XXX", in denen die vollständigen Steueranmeldungen und Steuerentlastungen des Kalenderjahrs 2010 monatlich geordnet und durch Trennblätter sortiert in Kopie abgeheftet waren.

Der Außenprüfer informierte die Klägerin am 17. April 2012, dass Steuerentlastungen für die streitgegenständlichen Monate nicht ausgezahlt worden seien, und am 27. April 2012 darüber, dass die Entlastungsanträge der Klägerin für die streitgegenständlichen Monate nicht im Original beim HZA Hamburg-1 eingegangen seien. Mit Schreiben vom 7. Mai 2012 stellte die Klägerin neue Entlastungsanträge für die streitgegenständlichen Entlastungszeiträume und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO.

Mit Bescheid vom 13. August 2012 (xxx-1) lehnte das HZA Hamburg-1 die streitgegenständlichen Energiesteuerentlastungen und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Die Anträge seien nicht innerhalb der in der Energiesteuer-Durchführungsverordnung (EnergieStV) geregelten Frist bis zum 31. Dezember des Folgejahres eingegangen. Die Klägerin habe die Fristversäumnis verschuldet. Sie habe bisher mit einer Bearbeitung ihrer Anträge innerhalb eines Monats nach Eingang rechnen können. Trotz der nicht eingegangenen Erstattungen für den Streitzeitraum habe sie keine Sachstandsanfrage gestellt.

Die Klägerin legte am 14. September 2012 Einspruch mit im Wesentlichen folgender Begründung ein. Die Anträge seien bereits im Original beim HZA Hamburg-1 eingegangen. Die Übergabe von Kopien der ursprünglichen Entlastungsanträge an den Prüfungsdienst im Jahr 2011 stelle zudem eine eigene Antragstellung dar. Hinsichtlich der neuerlichen Anträge vom 7. Mai 2012 lägen die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung vor. Ein Nichteingang der ursprünglichen Entlastungsanträge habe sich dem Sachbearbeiter des HZA Hamburg-1 aufdrängen müssen.

Das HZA Hamburg-1 wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2015 (xxx-2) zurück. Die Klägerin habe den Nachweis für den fristgerechten Eingang der Originalanträge nicht erbracht. Es sei ausgeschlossen, dass zwar die jeweiligen Steueranmeldungen bei ihm, dem HZA Hamburg-1, eingetragen und bearbeitet worden seien, jeweils drei Entlastungsanträge aber monatlich nach ihrem Eingang und vor der Bearbeitung verschwunden sein sollten. Die Entlastungsanträge seien leicht als solche zu erkennen und entsprechend zuzuordnen.

Die Klägerin hat am 30. März 2015 Klage erhoben und begründet diese im Wesentlichen wie folgt. Obwohl einersei...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge