Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VII B 90/21)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf der Bestellung als Steuerberater: Geordnete Verhältnisse bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens - Konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hat nicht automatisch zur Folge, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerberaters als geordnet zu betrachten wären. Das Insolvenzverfahren nach der InsO kann zwar das Ziel haben, die Gläubiger unter Erhaltung des Unternehmens des Schuldners zu befriedigen und dem Schuldner Gelegenheit zu geben, sich von seinen Verbindlichkeiten zu befreien (vgl. § 1 InsO). Ob dieses Ziel erreicht wird, ist jedoch zumindest bis zur Annahme und Bestätigung eines Insolvenzplanes (§§ 235 ff. InsO) völlig ungewiss.
2. Eine konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen ist dann anzunehmen, wenn der Steuerberater in sonstigen geschäftlichen oder auch eigenen Angelegenheiten unzuverlässig ist und sich nicht an gesetzliche Vorgaben hält. Hierzu zählen insbesondere steuerliche Erklärungs- und Zahlungsverpflichtungen. Denn in diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Steuerberater unter dem Druck seiner Vermögenslosigkeit auch Mandanteninteressen unter Missachtung vertraglicher Vereinbarungen verletzt, so groß, dass von einer konkreten Gefährdung von Auftraggeberinteressen auszugehen ist.
Normenkette
StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf der Bestellung als Steuerberater.
Der 1948 geborene Kläger ist seit seiner Lehre ab dem Jahr 1966 auf dem Gebiet des Steuerrechts tätig. Am ... 1980 wurde er zum Steuerberater durch die Finanzbehörde Hamburg bestellt. Im Jahr 1980 gründete der Kläger mit Kollegen eine Steuerberater-Sozietät, in dieser war er zwölf Jahre tätig. Im Anschluss daran übte der Kläger seine Steuerberatertätigkeit im Wege einer Einzelunternehmung aus und betrieb eine Kanzlei mit bis zu zehn Mitarbeitern.
Seit 2004 erbringt der Kläger seine steuerberatende Tätigkeit über die in 2004 gegründete A Steuerberatungsgesellschaft mbH, in welche er in 2004 sein Einzelunternehmen einbrachte. Der Kläger ist einziger Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter (90 %) der A Steuerberatungsgesellschaft mbH, welche ein Stammkapital in Höhe von ... € hat. Die übrigen 10 % werden vom Steuerberater B gehalten, der zurzeit nicht aktiv für die Gesellschaft tätig wird. Der jährliche Umsatz der Gesellschaft betrug in den letzten Jahren ca. ... € im Jahr, die Gesellschaft erzielte kaum Gewinne. Weder die Gesellschaft noch der Kläger beschäftigten aktuell Arbeitnehmer. Der Kläger erhält ein monatliches Gehalt von ... €.
Die wirtschaftliche Situation des Klägers verschlechterte sich seit seiner Ehescheidung von seiner ersten Ehefrau und der Finanzmarktkrise 2008. Außerdem führten Probleme beim Bau eines Doppelhauses zu weiteren finanziellen Belastungen.
Für die Jahre 2003 bis 2005 wurde bei ihm eine Betriebsprüfung durchgeführt, welche zu erheblichen Steuernachzahlungsverpflichtungen des Klägers führte. Ein in diesem Zusammenhang stehendes Steuerstrafverfahren wurde gegen Zahlung eines Betrags in Höhe von ... € gem. § 153a StPO eingestellt.
In 2016 wurde für die Jahre 2006 bis 2008 eine weitere Betriebsprüfung durchgeführt. Diese führte zu Steuernachforderungen in Höhe von ca. ... € zuzüglich Zinsen. Die vom Kläger erhobene Klage gegen die nach der Betriebsprüfung erlassenen Änderungsbescheide wurde durch Urteil vom 7. Mai 2019 abgewiesen (3 K 29/19). Das Urteil ist rechtskräftig.
Am 26. August 2019 stellte der Kläger beim Amtsgericht Hamburg einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten in Höhe von ... €, Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von ... €, Steuerrückstände gegenüber dem Finanzamt Hamburg-1 in Höhe von ... € zuzüglich Zinsen und Säumniszuschläge, Verbindlichkeiten gegenüber seiner zweiten Ehefrau in Höhe von ... € und gegenüber der Justizkasse in Höhe von ... €. Neben seinem Gehalt aus der Geschäftsführertätigkeit in Höhe von ... € bezog der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt eine Altersrente in Höhe von ... €. Den zunächst gestellten Antrag auf Eigenverwaltung nahm er am 6. September 2019 zurück.
Mit Beschluss vom ... 2019 wurde durch das Amtsgericht Hamburg (xxx) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Das Insolvenzverfahren wurde noch nicht beendet. Der letzte Bericht der Insolvenzverwalterin datiert vom 26. Januar 2021. In diesem Bericht ging die Insolvenzverwalterin davon aus, dass die Zahlungsunfähigkeit des Klägers bereits in 2015 eingetreten ist. Sie prognostizierte, dass das Insolvenzverfahren im Laufe eines weiteren Jahres gegebenenfalls durch einen Insolvenzplan abgeschlossen werden könne. Der nächste Bericht soll bis zum 15. Januar 2022 erstellt werden.
Die Beklagte gewährte mit Schreiben vom 28. November 2019 dem Kläger hinsichtlich eines drohenden Wider...