rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Billigkeitserlass von Energiesteuer bei spätere Festsetzung der Energiesteuer wegen leichtfertiger Steuerverkürzung des Herstellers
Leitsatz (amtlich)
Dass der Anspruch eines Herstellers von Bioheiz- bzw. -kraftstoff auf Entlastung von der Energiesteuer nach § 50 EnergieStG deswegen ausgeschlossen ist, weil die insoweit maßgebliche reguläre Festsetzungsfrist bei Festsetzung der Energiesteuer bereits abgelaufen war, begründet regelmäßig keinen Anspruch auf Erlass der Steuer nach § 227 AO, wenn die spätere Festsetzung der Energiesteuer deswegen erfolgen konnte, weil die Steuerfestsetzungsfrist aufgrund leichtfertiger Steuerverkürzung des Herstellers verlängert war.
Normenkette
AO §§ 47, 163, 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2, § 170 Abs. 1, §§ 227, 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 S. 1, § 378 Abs. 1, 3; EnergieStG § 9 Abs. 1-2, § 50 Abs. 1; EnergieStV § 94 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Energiesteuer im Billigkeitswege.
Die Klägerin handelt seit mehreren Jahrzehnten mit Futterfetten, Fettsäuren, Glycerin und artverwandten Produkten aller Art und ist seit 2005 Inhaberin einer Bewilligung zur Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr zur besonderen Verwendung betreffend u. a. die Waren rohes Palmöl, zu technischen oder industriellen Zwecken, ausgenommen zur Herstellung von Lebensmitteln, Codenummer 1511101000, und Palmöl, raffiniert, jedoch nicht chemisch modifiziert, zu technischen oder industriellen Zwecken, ausgenommen zur Herstellung von Lebensmitteln, Codenummer 1511909190. Im Rahmen dieser Bewilligung übernahm die Klägerin von der A GmbH & Co. Handels-KG, einem Unternehmen, das derselben Konzerngruppe wie die Klägerin angehört, Palmöl und Palmölraffinat - jeweils Pflanzenöle der Position 1511 Kombinierte Nomenklatur - aus der besonderen Verwendung und übertrug diese u. a. in den Zeiträumen August 2006 bis 2007 an diverse Kunden in Deutschland, die ihrerseits Inhaber von Bewilligungen eines Zollverfahrens der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zur besonderen Verwendung in Bezug auf rohes Palmöl und/oder Palmölraffinat zum Zweck der energetischen Verwendung, z. B. zur Energiegewinnung sowie zum Antrieb von Generatoren zur Erzeugung von Wärme und Strom, waren. In Unkenntnis der energiesteuerrechtlichen Vorschriften gab die Klägerin jedoch zunächst keine Steueranmeldungen in Bezug auf die an ihre Kunden gelieferten Pflanzenöle ab, insbesondere weil sie - wie sie angab - davon ausgegangen sei, dass nicht der Importeur oder Händler, sondern derjenige, der als Abnehmer das Palmöl für die Energieerzeugung einsetze, zu der ab dem 01.08.2006 neu geregelten Energiesteuer für Pflanzenöle, die dazu bestimmt sind, als Energieerzeugnisse verwendet zu werden, herangezogen werde. Erst später meldete die Klägerin mit insgesamt vier Energiesteueranmeldungen jeweils vom 15.01.2009 Energiesteuer für rohes Palmöl für die Zeiträume 01.08.2006 bis 31.12.2006 bzw. 01.01.2007 bis 31.12.2007 und für Palmölraffinat für die Zeiträume 01.08.2006 bis 31.12.2006 bzw. 01.01.2007 bis 31.12.2007 an. Steuerentlastungsanträge nach § 50 Energiesteuergesetz (EnergieStG) - Steuerentlastung für Biokraft- und Bioheizstoffe - in der für die streitgegenständlichen Steuerzeiträume maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 15.07.2006 (BGBl. I S. 1534) - im Folgenden: § 50 EnergieStG 2006 - bzw. vom 18.12.2006 (BGBl. I S. 3180) - im Folgenden: § 50 EnergieStG 2007 - stellte die Klägerin vor dem Hintergrund der jeweils bereits abgelaufenen Antragsfrist aus § 94 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes (EnergieStV) - in der für die streitgegenständlichen Steuerzeiträume maßgeblichen Fassung der Verordnung vom 31.07.2006 (BGBl. I S. 1753) - im Folgenden § 94 Abs. 1 Satz 3 EnergieStV 2006 - bzw. vom 29.01.2007 (BGBl. I S. 60) - im Folgenden: § 94 Abs. 1 Satz 4 EnergieStV 2007 - nicht. Mit Steuerbescheiden jeweils vom 21.01.2009 setzte der Beklagte für rohes Palmöl für den Zeitraum 01.08.2006 bis 31.12.2006 281.392,02 € und für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.12.2007 260.053,82 € sowie für Palmölraffinat für den Zeitraum 01.08.2006 bis 31.12.2006 40.735,73 € und für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.12.2007 62.724,24 €, mithin zunächst insgesamt 644.905,81 € Energiesteuer fest, wobei in der Folge - unter Berücksichtigung einer erfolgten Erstattung von 130.561,59 € Energiesteuer mit Energiesteueränderungsbescheid vom 28.04.2009 wegen des Nachweises über die Abgabe eines Teils des gelieferten rohen Palmöls nicht als Kraft- oder Heizstoff - insgesamt nur noch 514.343,52 € Energiesteuer gegenüber der Klägerin geltend gemacht wurden. Zur Begründung der Energiesteuerfestsetzungen verwies der Beklagte auf § 9 Abs. 1, Abs. 2 EnergieStG - Herstellung von Energieerzeugnissen außerhalb eines Herstellungsbetriebes durch die Bestimmung zur Verwendung als Kraft- oder Heizstoff - und die - auf die Nichtabgabe von Steueranmeldungen für die nach § 9 EnergieStG entstandenen Abgab...