Entscheidungsstichwort (Thema)
Energiesteuer: Leichtfertige Steuerverkürzung bei Veräußerung von Pflanzenölen zum Zweck der Verwendung als Kraft- oder Heizstoffe
Leitsatz (amtlich)
1. Eine die Festsetzungsfrist verlängernde leichtfertige Steuerverkürzung ist gegeben, wenn ein mit Pflanzenölen handelndes Unternehmen, das in größerem Umfang und über einen längeren Zeitraum Pflanzenöle zum Zweck der Verwendung als Kraft- oder Heizstoffe weiterveräußert, in Kenntnis der grundsätzlichen Energiesteuerpflichtigkeit derartiger Energieerzeugnisse sich nicht hinreichend über die den Hersteller der Energieerzeugnisse treffenden energiesteuerrechtlichen Pflichten informiert und infolgedessen die nach § 9 Abs. 2 EnergieStG unverzüglich abzugebende Steueranmeldung unterlässt.
2. Den Steuerpflichtigen trifft trotz der nach § 50 EnergieStG grundsätzlich vorgesehenen Steuerentlastungsmöglichkeit eine Informations- und Erkundigungspflicht hinsichtlich der für ihn geltenden steuerrechtlichen Verfahrenspflichten beim Umgang mit Biokraft- und Bioheizstoffen. Eine Verletzung dieser Informations- und Erkundigungspflicht kann den Vorwurf der leichtfertigen Steuerverkürzung begründen.
Normenkette
AO § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2, § 370 Abs. 4 Sätze 1, 3, § 378 Abs. 1; EnergieStG § 1 Abs. 2 Nr. 1, § 4 Nr. 1, § 9 Abs. 1-2, § 50; EnergieStV § 94 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen mehrere Energiesteuerbescheide.
Die Klägerin handelt seit mehreren Jahrzehnten mit Futterfetten, Fettsäuren, Glycerin und artverwandten Produkten aller Art. Sie ist seit 2005 Inhaberin einer Bewilligung der Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr zur besonderen Verwendung (Bewilligungsnummer DE/.../...) betreffend u. a. die Waren rohes Palmöl, zu technischen oder industriellen Zwecken, ausgenommen zur Herstellung von Lebensmitteln, Codenummer 1511101000, und Palmöl, raffiniert, jedoch nicht chemisch modifiziert, zu technischen oder industriellen Zwecken, ausgenommen zur Herstellung von Lebensmitteln, Codenummer 1511909190. In der Bewilligung ist unter Einzelheiten der geplanten Vorgänge angegeben: Verteilung an andere Bewilligungsinhaber. Im Rahmen dieser Bewilligung übernahm die Klägerin von der A GmbH & Co. Handels-KG, einem Unternehmen, das derselben Konzerngruppe wie die Klägerin angehört, Palmöl und Palmölraffinat - jeweils Pflanzenöle der Position 1511 Kombinierte Nomenklatur - aus der besonderen Verwendung und übertrug diese in den Zeiträumen August 2006 bis 2008 an diverse Kunden in Deutschland, die ihrerseits Inhaber von Bewilligungen eines Zollverfahrens der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zur besonderen Verwendung in Bezug auf rohes Palmöl und/oder Palmölraffinat zum Zweck der energetischen Verwendung, z. B. zur Energiegewinnung sowie zum Antrieb von Generatoren zur Erzeugung von Wärme und Strom, waren. Bei den weiterveräußerten Pflanzenölen handelte es sich für den Zeitraum August 2006 bis Ende 2007 insgesamt um ein Volumen von 10.511.912 Liter, die an insgesamt ... unterschiedliche Kunden geliefert wurden. Dabei hatte die Klägerin Kenntnis davon, dass ihre Kunden diese Waren zu energetischen Zwecken einsetzten. In Unkenntnis der energiesteuerrechtlichen Vorschriften gab die Klägerin jedoch keine Steueranmeldungen in Bezug auf die an ihre Kunden gelieferten Pflanzenöle ab. Nachdem Anfang Dezember 2008 anlässlich einer Zollabfertigung - deren Einzelheiten nicht näher bekannt sind, die aber jedenfalls im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit der Konzerngruppe, der auch die Klägerin angehört, vorgenommen wurde - der verwendete Verfahrenscode (4000: Abfertigung zum zollrechtlich und steuerrechtlich freien Verkehr, statt 4500: Überführung von Nichtgemeinschaftswaren in den zoll- und einfuhrumsatzsteuerrechtlich freien Verkehr mit anschließendem Verbringen verbrauchssteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung in ein deutsches Warenlager) beanstandet worden war und dies auch zur Kenntnis der Klägerin kam, wandte sich die Klägerin zwecks weiterer Klärung an den Beklagten. Dabei stellte sich zwar der Verfahrenscode bei der Zollabfertigung nicht als fehlerhaft heraus, jedoch der Umstand, dass die eingeführten und übernommenen Pflanzenöle an andere Bewilligungsinhaber zum Zweck der energetischen Verwendung weiterveräußert worden waren, ohne dass die Klägerin entsprechende Steueranmeldungen abgegeben hatte. Daraufhin meldete die Klägerin mit insgesamt vier Energiesteueranmeldungen jeweils vom 15.01.2009 Energiesteuer für rohes Palmöl für die Zeiträume 01.08.2006 bis 31.12.2006 bzw. 01.01.2007 bis 31.12.2007 und für Palmölraffinat für die Zeiträume 01.08.2006 bis 31.12.2006 bzw. 01.01.2007 bis 31.12.2007 an. Steuerentlastungsanträge nach § 50 Energiesteuergesetz (EnergieStG) stellte die Klägerin vor dem Hintergrund der jeweils bereits abgelaufenen Antragsfrist aus § 94 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes (EnergieStV) nicht. Mit Steuerbescheiden jeweils vom 21.01.2009 setzte der Beklag...