Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH X B 57/18)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabenordnung: Hinzuschätzung auf Grund einer Quantilsschätzung bei erheblichen formellen Mängeln der Aufzeichnungen der Bareinnahmen
Leitsatz (amtlich)
Bei erheblichen formellen Mängeln der Aufzeichnungen der Bareinnahmen ist eine Hinzuschätzung auf der Grundlage einer Quantilsschätzung im Einzelfall zulässig, wenn das Ergebnis durch weitere Erkenntnisse (hier: Ergebnisse einer stochastischen Untersuchung) und eine partielle Nachkalkulation gestützt wird und anderweitige Schätzungsmethoden wie eine Geldverkehrsrechnung und eine Ausbeutekalkulation nicht in Betracht kommen.
Normenkette
AO § 162 Abs. 2 S. 2
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 06.03.2019; Aktenzeichen X B 57/18) |
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten über Umsatz- und Gewinnhinzuschätzungen infolge einer Betriebsprüfung für die Jahre 2010 bis 2012 (Streitjahre).
I.
1.
- Der Kläger betrieb in den Streitjahren ein griechisches Restaurant. Seinen Gewinn ermittelte er durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG).
- Der Kläger hat den Betrieb zum ... 2009 von seinem Bruder übernommen. Der Kläger wohnte im Streitzeitraum bei seinen Eltern.
- Im Rahmen einer für den Zeitraum 2001 - 2003 durchgeführten Betriebsprüfung ermittelte der damalige Prüfer anhand einer Nachkalkulation für 2002 einen Rohgewinnaufschlagsatz in Höhe von 293 %. Den für 2003 ermittelten Rohgewinnaufschlagsatz in Höhe von 257 % sah der Prüfer als zu niedrig an und nahm daher eine pauschale Hinzuschätzung in Höhe von ... Euro (netto) vor (...).
Im Januar und Februar 2011 fand eine umfangreiche Renovierung der Gasträume statt (Eingangsraum, Clubraum und Saal), für die das Restaurant zeitweise nur eingeschränkt betrieben werden konnte bzw. sogar ganz geschlossen werden musste. Die genauen Zeiträume der Schließung und der Zeitpunkt der Wiedereröffnung konnten nicht festgestellt werden.
Die Renovierungsarbeiten beinhalteten insbesondere Malerarbeiten, Montage von 14 Säulen aus Stuckgips, eine neue Beleuchtung sowie neue Stühle (...). An der Anzahl der Sitzplätze (innen: 110 Sitzplätze; im Garten zusätzlich 25 Sitzplätze) hat sich durch die Renovierung nichts geändert (...).
Der Kläger verwendete zur Abrechnung der Kundenumsätze im Streitzeitraum durchgängig eine elektronische Registrierkasse. Zunächst setzte der Kläger eine "Inka 300 Touch" ein (...). Diese wurde am 03.03.2011 neu programmiert (...).
Am 13.08.2012 schaffte der Kläger eine neue Kasse ("Inka 430 Touch") an (...). Bei dieser Kasse besteht die Möglichkeit, die Speicherung von Daten auf extern angeschlossene Datenträger zu übermitteln (...).
Der Kläger erstellte mit der jeweiligen Registrierkasse Tagesendsummenbons (Z-Bons). Diese Z-Bons erstellte er nicht immer täglich, sondern teilweise auch für mehrere Tage. Ein Kassenbuch führte der Kläger nicht.
- Auf der Grundlage der Z-Bons erfasste der Steuerberater des Klägers die Kasseneinnahmen jeweils in einer monatlichen Excel-Tabelle und verbuchte sie in einer Monatssumme als Erlös (...). Sämtliche Barzahlungen wurden über das Konto XX gebucht, wobei die Einnahmen immer nur in einer Summe am Ende des Monats erfasst wurden (...).
2. Aus den vom Kläger für die Streitjahre eingereichten Steuererklärungen ergeben sich folgende betriebliche Kennzahlen (...):
Jahr |
Umsatzerlöse 19 % |
Umsatzerlöse 7 % |
Gewinn |
Rohgewinnaufschlagsatz (RAS) |
2010 |
... € |
... € |
... € |
195 % |
2011 |
... € |
... € |
... € |
189 % |
2012 |
... € |
... € |
... € |
225 % |
3. Laut amtlicher Richtsatzsammlung beträgt der Rohgewinnaufschlagsatz für Gast- und Speisewirtschaften zwischen 186 - 400 % (Mittelwert: 257 %).
4.
Das beklagte Finanzamt (FA) führte vom 18.08.2014 - 03.03.2015 beim Kläger eine Außenprüfung für die Streitjahre durch, in deren Verlauf es zu der Einschätzung kam, die Kassenbuchführung des Klägers sei nicht ordnungsgemäß. Die Prüferin hat im Verlauf der Prüfung diesbezüglich folgende Feststellungen getroffen (...):
- die Kasseneinnahmen wurden zum Teil nicht täglich festgehalten, sondern in einem Z-Bon, gleich für mehrere Tage, zusammengefasst,
die Z-Zähler Nr. fängt mehrfach wieder mit Nr. 1 an, und zwar
in 2010 am: 08.03., 12.03., 10.07., 04.08. und 21.12.,
in 2011 am: 26.02. und
in 2012 am: 15.08., wobei dies auf die Anschaffung der neuen Kasse zurückzuführen ist,
- die Erlöse aus dem Z-Bon Nr. 160 vom 01.09.2011 wurden nicht als Einnahme erfasst (...),
- der Z-Bon Nr. 172 im September 2011 fehlt (...),
- die Erlöse für Sonntag, den 22.01.2012, fehlen (...),
- in allen Streitjahren wurden zum Teil hohe Stornobuchungen vorgenommen (...),
- für den Zeitraum 13.01.2010 bis 25.01.2010 liegt lediglich der Z-Bon mit der Nr. 97 vor (... Euro, ...),
- für den Zeitraum vom 08.06.2010 bis zum 06.07.2010 liegt nur ein Z-Bon vom 07.07.2010 mit der Nr. 84 vor, wobei der darin ausgewiesene Betrag (... Euro) in den monatlichen Exceltabellen aufgeteilt wurde in Höhe von ... Euro auf den 30.06. und in Höhe von ... Euro auf den 06.07. (...),
- für den Zeitraum ...