Entscheidungsstichwort (Thema)
Entrichtung von Tabaksteuer / Diebstahl von Lagergut (Zigaretten)
Leitsatz (redaktionell)
Die Anwendung von Art. 205 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK widerspricht nicht dem Sinn und Zweck der Tabaksteuer.
Normenkette
ZK Art. 205 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 1 Unterabs. 2, Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Steuerbescheid des beklagten Hauptzollamtes, mit dem sie zur Entrichtung von Tabaksteuer herangezogen wird.
Die Klägerin betreibt ein Schiffsausrüstungsunternehmen im Hamburger Freihafen. Mit Bescheid des Hauptzollamtes Hamburg-... vom 14.8.1997 war ihr gemäß Art. 176 Abs. 1 Zollkodex (ZK) die Zulassung zum Führen von Bestandsaufzeichnungen und insoweit die Zustimmung zur Lagerung von Nichtgemeinschaftswaren in der Freizone "Freihafen Hamburg" erteilt worden.
Mit Schreiben vom 13.7.1998 zeigte die Klägerin gegenüber dem Hauptzollamt Hamburg-... an, dass in ihre Lagerräume eingebrochen worden sei und u.a. 1.943 Stangen Zigaretten mit dem zollrechtlichen Status von Nichtgemeinschaftswaren entwendet worden seien. Hinsichtlich der Anzahl und Marken der entwendeten Zigaretten wird auf die diesem Schreiben beigefügte Aufstellung der Klägerin verwiesen. Dieser Diebstahl, den die Klägerin bei der Polizei angezeigt hatte, wird bei der Staatsanwaltschaft unter dem Geschäftszeichen .../98 bearbeitet.
Mit Steuerbescheid vom 2.11.1998 setzte das Hauptzollamt Hamburg-... gegenüber der Klägerin Tabaksteuer in Höhe von insgesamt DM 57.416,38 unter Hinweis auf Art. 205 ZK mit der Begründung fest, dass der Diebstahl der Zigaretten aus verbrauchsteuerrechtlicher Sicht nicht als zufriedenstellende Erklärung im Sinne des Art. 205 Abs. 1 Unterabsatz 2 ZK anerkannt werden könne.
In ihrem hiergegen erhobenen Einspruch wandte die Klägerin insbesondere ein: Nach § 21 Tabaksteuergesetz würden die Vorschriften für Zölle hinsichtlich der Entstehung und des Erlöschens der Steuer in Bezug auf Tabakwaren sinngemäß gelten. Da das Hauptzollamt im Hinblick auf die Zollschuldentstehung den Diebstahl der Zigaretten aus dem Lagerraum als im Sinne des Art. 205 ZK zufriedenstellende Erklärung anerkannt habe, könne mit Blick auf die Entstehung einer Tabaksteuerschuld nichts anderes gelten. Im Übrigen stehe einer Abgabenerhebung entgegen, dass die ihr gegenüber festgesetzte Tabaksteuer gemäß Art. 239 Abs. 1 ZK zu erlassen sei. Der Diebstahl von Lagergut stelle nämlich eine Erlassgrund im Sinne des Art. 900 Abs. 1 lit. a) ZK-DVO dar.
Mit Einspruchsentscheidung vom 13.8.1999 wies das Hauptzollamt Hamburg-... den Einspruch der Klägerin mit der Maßgabe zurück, dass es entsprechend dem Steueränderungsbescheid vom 13.8.1999 Tabaksteuer in Höhe von DM 1.283,66 erließ. - Auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen.
Die Klägerin hat am 14.9.1999 Klage erhoben. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Bescheid vom 2.11.1998 in der Fassung des Steueränderungsbescheides vom 13.8.1999 und der Einspruchsentscheidung vom 13.8.1999 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die Gründe der Einspruchsentscheidung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Die zulässige Anfechtungsklage führt zum Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:
Als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Steuerbescheid kommt allein die Vorschrift des Art. 205 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12.10.1992 (ABl. Nr. L 302/1, im Folgenden: Zollkodex - ZK) in Betracht. Dort ist bestimmt, dass eine Einfuhrzollschuld entsteht, wenn eine einfuhrangabenpflichtige Ware in einer Freizone oder einem Freilager unter anderen als den nach der geltenden Regelung vorgesehenen Voraussetzungen verbraucht oder verwendet wird (Satz 1). Im Falle des Verschwindens von Waren - so heißt es im Unterabsatz 2 weiter - können die Zollbehörden, falls ihnen für dieses Verschwinden keine zufriedenstellende Erklärung gegeben wird, davon ausgehen, dass die Waren in der Freizone oder in dem Freilager verbraucht oder verwendet worden sind. Zollschuldner sind gemäß Art. 205 Abs. 3 Unterabsatz 1 ZK die Person, welche die Ware verbraucht oder verwendet hat, sowie die Personen, die an diesem Verbrauch oder dieser Verwendung beteiligt waren, obwohl sie wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass die Ware unter anderen als den nach der geltenden Regelung vorgesehenen Voraussetzungen verbraucht oder verwendet wurde. Gehen die Zollbehörden im Falle des Verschwindens von Ware davon aus, dass die Waren...