Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VII B 167/12)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbrauchsteuerrecht: Steuerentstehung bei Entnahme der Ware aus dem Vernichtungsprozess
Leitsatz (amtlich)
1. Werden nicht angemeldete Zigaretten bei ihrer Einfuhr beschlagnahmt und der Vernichtung zugeführt, entsteht Tabaksteuer in dem Moment, in dem die Zigaretten von Nichtberechtigten bevor sie in den Verbrennungsofen gelangen aus dem Vernichtungsprozess entnommen werden.
2. Der Begriff der steuerschuldnerischen Beteiligung gemäß § 21 TabStG, Art. 203 Abs. 3, 2. Anstrich ZK ist weit auszulegen.
Normenkette
TabStG 1993 § 21; ZK Art. 202, 203 Abs. 1, 3 2. Anstrich, Art. 233; ZKDV Art. 867a
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Tabaksteuer.
I.
Am 13.12.2007 stellte das Zollamt A bei der Überprüfung eines per LKW aus dem Freihafen kommenden Containers fest, dass sich hinter einer Tarnladung Textilien fast 10 Millionen nicht angemeldeter Zigaretten, abgepackt in Stangen "B" mit französischer Aufschrift, befanden. Die Zigaretten wurden beschlagnahmt. Gegen den LKW-Fahrer C wurde mit Einfuhrabgabenbescheid vom 09.03.2010 Tabaksteuer in Höhe von EUR 1.376.046,00 festgesetzt. Nachdem sich der Eigentümer der Zigaretten nicht ermitteln ließ, sollten die zunächst eingelagerten Zigaretten vernichtet werden.
II.
1. Der Kläger war zur maßgeblichen Zeit im April 2008 Beschäftigter in der Müllverbrennungsanlage (MVA) D.
Am 16.04.2008 gegen 16.00 Uhr wurden durch die Zollbehörden in der MVA per Lieferwagen rund 2,3 Millionen Zigaretten zur Vernichtung durch Verbrennung angeliefert. Mit dem Kläger arbeiteten zum Zeitpunkt der Anlieferung in der "Schicht X" auch die weiteren MVA-Beschäftigten E, F und G in der Anlage.
Die angelieferten Zigaretten wurden in Gegenwart der Zollbeamten über einen Kipptrichter in den Müllbunker abgekippt. Im Normalbetrieb wird der zu verbrennende Müll im Müllbunker mit Hilfe einer der beiden im Bunker befindlichen Kräne vermischt und über einen Trichter dem Schacht zum Verbrennungsofen zugeführt. Der Kran befindet sich auf einer Bühne über dem Bunker. Der Bunker selbst ist nicht zu betreten. Die Krankanzeln können durch einen Durchlass betreten werden. Gegenstände können aus dem Bunker (nur) entnommen werden, wenn sie nach Anheben mit dem Kran auf die Bunkerbühne oder auf den im Bereich der Bunkerbühne befindlichen Trichter gelangt sind.
Die Zollbeamten unterzeichneten nach dem Abkippen ein Vernichtungsprotokoll für die angelieferten Zigaretten "B" und verließen die Anlage.
2. Das Gelände der MVA wurde an diesem Tag seit ca. 14.30 Uhr vom Zollfahndungsamt Hamburg observiert. Hintergrund der Observation war, dass es zuvor einen anonymen Hinweis gegeben hatte, dass Mitarbeiter der MVA Zigaretten aus zollamtlicher Vernichtung privat verkaufen würden. Die Zollbeamten konnten bei der Observation das Geschehen im Gebäude des Müllbunkers allerdings nicht beobachten.
Im Rahmen einer um 21.30 Uhr durchgeführten Durchsuchung des Fahrzeugs, mit dem E das Werksgelände verlassen hatte, fanden die Zollbeamten einen Karton mit 50 Stangen unversteuerter Zigaretten und zwei weitere Stangen unversteuerter Zigaretten "B" mit französischer Aufschrift bei ihm. Ausweislich des Vermerks der Zollfahndung über diese Durchsuchung, auf den Bezug genommen wird, hat E eingeräumt, die Zigaretten bei seiner Tätigkeit in der MVA entwendet zu haben.
In dem Vermerk der Zollfahndung vom 17.04.2008 ist festgehalten, dass bei einer anschließenden Begehung des gesamten Bunkergebäudes Zigaretten nur in einem Schrank hinter der Krankanzel (4 Stangen Zigaretten "B") gefunden worden sind. Ausweislich desselben Vermerks habe allerdings der Abstellraum der Spätschicht vom 16.04.2008 nicht in Augenschein genommen werden können, weil lediglich die Mitarbeiter dieser Schicht einen Schlüssel hierfür besessen haben.
In den Protokollen der Zollfahndung von den Vernehmungen am 17.04.2008 ist festgehalten, dass alle vier Mitarbeiter eingeräumt haben, während ihrer Spätschicht am 16.04.2008 Zigaretten von der Bunkerbühne genommen zu haben. Insoweit wird auf die Vernehmungsprotokolle Bezug genommen. F übergab dem Zoll nach seiner Vernehmung 13.100 Zigaretten (64 Stangen und 15 Schachteln), die er am 16.04.2008 aus dem Müllbunkerbereich entnommen und mit nach Haus genommen hatte.
Ebenfalls am 17.04.2008 führte die Personalabteilung der H mit den vier Mitarbeitern Anhörungen durch, über die Vermerke gefertigt wurden (Anhörungsvermerke), die das Gericht auf Anforderung von der H erhalten hat und auf die Bezug genommen wird.
Am Morgen des 18.04.2008 wurde die Zollfahndung durch den Leiter der MVA, den Zeugen J, benachrichtigt, dass eine größere Menge - 29 Kartons à 50 Stangen und rund 10 Plastikbeutel mit insgesamt 290 Stangen und 17 Schachteln, insgesamt 348.340 Stück - Zigaretten hinter einer Tür in unmittelbarer Nähe zum Abstellraum der "Schicht X" aufgefunden worden seien. Diese Zigaretten ...