Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifrecht: Voraussetzungen für die entsprechende Anwendung von Einreihungsverordnungen - Einreihung von Spinell
Leitsatz (amtlich)
Eine Einreihungsverordnung kann nur dann entsprechend angewendet werden, wenn die Zolltarifposition, die in der Verordnung genannt ist, im maßgeblichen Zeitpunkt noch existiert.
Die Position 6815 KN ist nicht auf Endprodukte oder Waren mit einer definierten Form beschränkt.
Normenkette
KN Pos. 6815; EUDVO-2015/1723
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Einfuhrabgaben auf Sinterspinell.
Am 16. und 24. Juli 2017 meldete die Klägerin jeweils zwei Mal 250 t Sinterspinell als "zubereitete Bindemittel für Gießereiformen oder -kerne; chemische Erzeugnisse und Zubereitungen der chemischen Industrie oder verwandter Industrien" der Unterposition 3824 9996 KN (Drittlandszollsatz: 6,5 %) zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr an. Mit jeweils zwei Einfuhrabgabenbescheiden vom 16. Juli 2017 (AT/C/40/-XXX-1 und AT/C/40/XXX-2) und 24. Juli 2017 (AT/C/40/XXX-3 und AT/C/40/XXX-4) setzte der Beklagte anmeldungsgemäß Zoll jeweils i.H.v. ... €, mithin insgesamt ... €, fest.
Der eingeführte Sinterspinell (im Folgenden: Einfuhrware) ist ein feuerfestes Material in Form von harten, kieselsteinartigen Kugeln, das überwiegend aus Aluminium- und Magnesiumoxid besteht. Nach dem Qualitätszeugnis vom 20. Mai 2017 enthält die Ware 61,76 % Aluminiumoxid (Al2O3), 29,94 % Magnesiumoxid (MgO), 2,6 % Siliziumdioxid (SiO2), 2,58 % Titandioxid (TiO2) und 0,013 % Bortrioxid (B2O3). Die Einfuhrware wird aus natürlichem mineralischen Bauxit und Magnesiumoxid, welche in einem Drehrohrofen gebrannt werden, hergestellt. Die Ausgangsstoffe verbinden sich in einem nichtstöchiometrischen Verhältnis. Verwendung findet die Einfuhrware bei der Herstellung von Hochofenauskleidungen.
Mit Schreiben vom 25. Juli bzw. 9. August 2017 legte die Klägerin Einspruch ein gegen die Einfuhrabgabenbescheide vom 16. bzw. 24. Juli 2017. Die Durchführungsverordnung (EU) 2015/1723, wegen der die Klägerin die Einfuhrware unter der Position 3824 KN angemeldet habe, sei rechtswidrig, weil sie den Inhalt der Position 6815 KN verändere und damit gegen das Harmonisierte System verstoße. Das FG Hamburg habe bereits mit Urteil vom 28. Februar 2008 (4 K 27/03)Spinelle der Unterposition 6815 9910 KN zugewiesen. Es habe ausdrücklich die Argumentation des Beklagten zurückgewiesen, dass die Position 6815 KN nur Fertigwaren erfasse. Die in Umsetzung dieses Urteils erteilte verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) DE-XXX-1 vom 9. Mai 2008, mit der Spinell in die Unterposition 6815 9910 KN eingereiht worden sei, sei Ende 2010 unwirksam geworden, weil die Unterposition weggefallen sei.
In einem weiteren Urteil vom 24. Mai 2013 (4 K 42/12)habe das FG Hamburg den Widerruf einer vZTA, mit der Schmelzmagnesiachrom - einer Spinell vergleichbaren Ware - in die Unterposition 6815 KN eingereiht worden sei, aufgehoben. Dabei habe es abermals darauf hingewiesen, dass die Position 6815 KN auch Halberzeugnisse erfasse. Mit Beschluss vom 13. Februar 2014 (VII B 122/13) habe der BFH die Beschwerde gegen dieses Urteil zurückgewiesen, weil auch nach dessen Ansicht die Position 6815 KN nicht nur weiterverarbeitete Erzeugnisse erfasse.
Auf den Antrag der Klägerin vom 30. Mai 2014 habe der Beklagte die vZTAe DE-XXX-2 bis DE-XXX-6 vom 5. Dezember 2014 erteilt, mit denen Spinelle mit verschiedenen Gehalten an Aluminium in die Unterposition 6815 99 KN eingereiht worden seien. Die verzögerte Bescheidung habe die Zollverwaltung mit einer abweichenden Einreihungsauffassung der niederländischen Zollverwaltung begründet, die - wie die niederländischen vZTAe NL-XXX-1 und NL-XXX-2 zeigten - tatsächlich nicht bestanden habe.
Dessen ungeachtet sei die Durchführungsverordnung (EU) 2015/1723 erlassen worden, mit der Spinelle mit einer nicht stöchiometrischen Zusammensetzung der Unterposition 3824 9096 KN zugewiesen worden seien. Unrichtig sei die Behauptung in den Gründen dieser Verordnung, dass Spinell weder ein Fertigerzeugnis noch ein Halbzeug sei. Damit erkenne die Kommission offenbar an, dass die Position 6815 KN nicht nur Fertigerzeugnisse, sondern auch Halberzeugnisse erfasse.
Die vZTAe DE-XXX-2 bis DE-XXX-6 vom 5. Dezember 2014 seien zum 18. September 2016 widerrufen worden.
Mit Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2018 (RL xxx/17-1 + xxx/17-2) wies der Beklagte die Einsprüche gegen die Einfuhrabgabenbescheide vom 16. und 24. Juli 2017 als unbegründet zurück. Die Einreihung in die Unterposition 3824 9966 KN ergebe sich aus der Durchführungsverordnung(EU) 2015/1723 . Der darin unter Ziff. 2 genannte Spinell sei in die seinerzeit geltende Unterposition 3824 9096 KN eingereiht worden. Entsprechend sei die Einfuhrware in die seit dem 1. Januar 2017 geltende Unterposition 3824 9996 KN einzureihen.
In ihrer bereits am 25. Januar 2018 erhobenen Untätigkeitsklage beruft sich die Klägerin auf ihren bisherigen Vortrag. Sie betont, dass die Kommis...