Entscheidungsstichwort (Thema)
Gestaltungsmissbrauch bei der Realisierung von Spekulationsverlusten
Leitsatz (amtlich)
Verluste aus Verkäufen von Wertpapieren, die am selben Tag in gleicher Anzahl und zum gleichen Kurs zurückgekauft werden, sind steuerlich nicht zu berücksichtigen. Insoweit liegt ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO vor.
Normenkette
EStG § 23 Abs. 3; AO § 42
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Nichtanerkennung von Spekulationsverlusten aus Wertpapiergeschäften.
Die Klägerin erzielte in 1998 Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte. Unter anderem tätigte sie eine Anzahl von Wertpapierankäufen und -verkäufen, bei denen sie sowohl Gewinne als auch Verluste erzielte. Dabei erfolgten die folgenden Wertpapiergeschäfte, in dem am selben Tag Aufträge für den Verkauf und den Kauf der gleichen Anzahl von Wertpapieren erteilt wurden und in deren Folge die Wertpapiere zu identischen Kursen verkauft und gekauft wurden. Durch den Verkauf wurden jeweils Verluste erzielt.
Titel/WKNS |
Stückzahl |
Verkauf am |
Rückerwerb am |
Verlust in DM |
A / ... |
5.000 |
25.09.1998 |
25.09.1998 |
34.739,99 |
B / ... |
2.000 |
09.12.1998 |
09.12.1998 |
2.667,93 |
C / ... |
1.000 |
09.12.1998 |
09.12.1998 |
30.500,70 |
D / ... |
400 |
09.12.1998 |
09.12.1998 |
23.990,14 |
E / ... |
1.000 |
09.12.1998 |
09.12.1998 |
6.662,00 |
F / ... |
2.500 |
09.12.1998 |
09.12.1998 |
57.018,00 |
G / ... |
1.500 |
09.12.1998 |
09.12.1998 |
39.965,80 |
Summe |
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|
|
195.544,56 |
Der Beklagte sah darin einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten und berücksichtigte die Verluste aus diesen Geschäften nicht. Nachdem der Beklagte die Einkommensteuer für 1998 zunächst mit Bescheid vom 7.7.2000 auf ... DM festgesetzt hatte, änderte er mit Bescheid vom 31.7.2000 die Einkommensteuer für 1998 unter Zugrundelegung eines zu versteuernden Einkommens von ... DM auf ... DM. Hierauf anzurechnen waren Kapitalertragsteuer in Höhe von 96.886 DM sowie Körperschaftsteuer in Höhe von ... DM. Der Beklagte hatte die Einkünfte aus Spekulationsgeschäften mit Wertpapieren mit 235.304 DM berechnet.
Mit Schreiben vom 1.8.2000 hatte die Klägerin gegen den Einkommensteuerbescheid für 1998 Einspruch eingelegt. Die Spekulationsgewinne seien um 195.544,56 DM zu hoch festgesetzt. Die Wertpapiere seien zwar am gleichen Tag verkauft und zurückgekauft worden. Da es jedoch auf die Beweggründe des Steuerpflichtigen nicht ankomme, seien die entstandenen Spekulationsverluste anzuerkennen. Mit Einspruchsentscheidung vom 24.1.2002 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin mit Schreiben vom 15.2.2002, eingegangen am 18.2.2002, Klage erhoben. Der von ihr vorgenommene Verkauf und Kauf von Wertpapieren am gleichen Tag, um Veräußerungsverluste innerhalb der Spekulationsfrist zu erzielen, sei unstreitig. Entgegen der Auffassung des Beklagten liege darin jedoch keine missbräuchliche Gestaltung. Der § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) erfasse die steuerpflichtigen privaten Veräußerungsgeschäfte ausschließlich nach objektiven Tatbeständen. Auch das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 9.7.1969, BStBl II 1970 S. 156) habe subjektive Tatbestandsmerkmale für die Steuerpflicht nach § 23 EStG ausdrücklich verneint. Dem Steuerpflichtigen werde die zeitliche Gestaltung des Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren gerade zugebilligt. Um die Besteuerung von Gewinnen zu vermeiden, könne der Steuerpflichtige genau den im Gesetz angegebenen Zeitraum verstreichen lassen, ohne dass ihm missbräuchliche Gestaltung vorgeworfen werde. Daher könne demjenigen, der den Kauf und Verkauf genau innerhalb des gesetzlichen Zeitraums durchführe, um Verluste geltend zu machen, diese Gestaltungsmöglichkeit nicht abgesprochen werden. § 42 der Abgabenordnung (AO) werde dann angewandt, wenn das Steuergesetz etwas vorgebe und dies durch rechtliche Gestaltung umgangen werde. Eine solche Vorgabe fehle aber in § 23 EStG. Darüber hinaus werde der Annahme des Beklagten, dass die gewählte Gestaltung unangemessen sei, auch deshalb widersprochen, weil der Verkauf und Kauf der Wertpapiere am Börsenplatz Frankfurt durchgeführt worden sei und sie deshalb selbst bei taggleichen Geschäften ein durchaus realistisches Kursrisiko getragen habe. Dass Kursverluste realisiert würden, sei ebenfalls nicht unangemessen und werde auch von anderen verständigen Parteien täglich praktiziert und auch gerade aus steuerlichen Gründen.
Die Klägerin verzichtete auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich der Antrag, den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 31.7.2000 und die Einspruchsentscheidung vom 24.1.2002 in der Weise zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen um 195.544 DM auf ... DM herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
In dem Verkauf und dem Kauf identischer Wertpapiere am selben Tag und zum gleichen Kurswert liege ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten, da eine erfolgte Maßnahme nach Erreichung des steuerlich...