Leitsatz

Verluste aus Verkäufen von Wertpapieren, die am selben Tag in gleicher Anzahl und zum gleichen Kurs zurückgekauft werden, sind steuerlich nicht zu berücksichtigen. Insoweit liegt ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO vor.

 

Sachverhalt

Die Klägerin wendet sich gegen die Nichtanerkennung von privaten Veräußerungsverlusten aus im Jahr 1998 getätigten Wertpapiergeschäften. Die Besonderheit der hier strittigen Geschäfte war die Tatsache, dass die Klägerin an die Bank den Auftrag erteilte, am selben Tag den Verkauf sowie den Ankauf der gleichen Anzahl von Wertpapieren durchzuführen, mit der Folge, dass die Wertpapiere zu identischen Kursen sowohl verkauft als auch angekauft wurden. Durch den Verkauf erzielte die Klägerin insgesamt Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 196.000 DM. Dem Begehren der Klägerin, diese mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von ca. 235.000 DM zu verrechnen, folgte das Finanzamt nicht, da es im vorliegenden Fall einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten sah.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die daraufhin eingelegte Klage ab, weil es im einschlägigen Fall gleichfalls einen Gestaltungsmissbrauch als gegeben ansah.

Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten läge nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt werde, die zur Erreichung des angestrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen sei, der Steuerminderung dienen solle und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen sei. Dem Tatbestand des § 42 AO läge das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal zu Grunde, dass der Steuertatbestand entweder ausdrücklich an Gestaltungen des Rechts anknüpfe oder solche Gestaltungen jedenfalls mittelbar in der Weise erfasse, dass es auf sie ankomme, weil das Gesetz eine bestimmte rechtliche Gestaltung zur Erreichung bestimmter wirtschaftlicher Ziele für typisch halte oder mit einer bestimmten rechtlichen Gestaltung einen begünstigten Zweck verfolge.

Die Berücksichtigung eines Verlustes aus privaten Veräußerungsgeschäften knüpfe danach an den wirtschaftlichen Vorgang der Veräußerung von Wertpapieren in der Weise an, dass das Gesetz davon ausgehe, dass eine Veräußerung tatsächlich erfolgen solle und auch wirtschaftlich stattfinde. Im Streitfalle werde die Veräußerung wirtschaftlich durch den Rückkauf der gleichen Wertpapiere negiert. Durch den gleichzeitig erteilten Kaufauftrag werde zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin die Aktien weiterhin halten wolle. Wirtschaftlich ging es ihr allein darum, durch eine Veräußerung steuerlich wirksam Verluste zu erzielen ohne jedoch im Ergebnis die Wertpapiere abgeben zu wollen. Die rechtliche Gestaltung diente im strittigen Falle keinem wirtschaftlichen oder außersteuerlichen Grund, so dass darin ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten zu sehen sei, mit der Folge, dass der Steueranspruch so entstehe, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entstehen würde, also dass ein Verkauf und ein Rückkauf der betroffenen Wertpapiere nicht erfolge.

 

Hinweis

In dem vorliegenden Fall hätte das Finanzgericht durchaus auch die Möglichkeit gehabt, ein Scheingeschäft nach § 41 AO anzunehmen. Zwar lagen formal Veräußerungsgeschäfte vor. Die Parteien beabsichtigten durch die Vertragsgestaltung jedoch nicht tatsächlich, in ihrem Verhältnis zueinander eine wirtschaftliche Änderung herbeizuführen (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil v. 5.6.2003, 14 K 190/02, EFG 2004 S. 907).

Ganz anders hätte die Entscheidung möglicherweise ausgesehen, wenn Ankauf und Verkauf nicht am selben Tag erfolgt wären, Veräußerungspreis und Anschaffungskosten somit einen unterschiedlichen Betrag ergeben hätten. Wohl nicht umsonst sind im BMF-Schreiben vom 25. 10. 2004 (BStBl 2004 I S. 1034) zu den Zweifelsfragen bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG keine Ausführungen zu § 42 AO enthalten. Die Finanzverwaltung wollte wohl verhindern, dass mit jedweder Äußerung zu dieser Thematik anderweitige Gestaltungsmöglichkeiten provoziert würden. Jedenfalls dürfte feststehen, dass - außer bei einem wie hier recht eindeutigen Fall - die Finanzverwaltung bei Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften grundsätzlich vor den Gerichten ihre liebe Not hätte, einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten erfolgreich darzulegen.

 

Link zur Entscheidung

FG Hamburg, Urteil vom 09.07.2004, VII 52/02

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