Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifierung von Geflügelschlachtkörpern
Leitsatz (amtlich)
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
- Fällt auch ein Geflügelschlachtkörper unter die Marktordnungs-Warenlistennummer 0207 1290 9990, wenn einer nach diesem Produktcode zulässigen Innerei ein nicht zulässiges Teil des Geflügels anhaftet?
- Falls die Frage 1. verneint wird: Ist bei der zollamtlichen Überprüfung, ob die Ausfuhrerzeugnisse der in der Ausfuhranmeldung angegebenen Marktordnungs-Warenlistennummer entsprechen, eine Fehlertoleranz in dem Sinne anzuerkennen, dass ein sog. Ausreißer nicht erstattungsschädlich ist?
Normenkette
EWGV 1538/91 Art. 2 Abs. 4; VO (EWG) Nr. 1538/91 Art. 6-7; EGV 2457/97 Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf die weitere Gewährung von Ausfuhrerstattung hat.
Mit Ausfuhranmeldung vom 20.10.2000 meldete die Klägerin beim Hauptzollamt A - Zollamt B - 405 Kartons Hühner der Marktordnungs-Warenlistennummer 0207 1290 9990 ("Hühner gerupft, ausgenommen, ohne Kopf und Ständer, aber mit Hals, Herz, Leber und Muskelmagen in unregelmäßiger Zusammensetzung") zur Ausfuhr nach Russland an und beantragte hierfür die Gewährung von Ausfuhrerstattung.
Im Rahmen der Ausfuhrabfertigung entnahm das Zollamt B 2 Kartons mit jeweils 10 Schlachtkörpern als Probe - jeweils 1 Karton als Untersuchungs- bzw. Rückstellprobe - und sandte diese an die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg, die in ihren Untersuchungszeugnissen und Gutachten vom 07.11.2000 feststellte, dass von 10 untersuchten Geflügelkörpern 1 Huhn nicht der angemeldeten Marktordnungs-Warenlistennummer zugeordnet werden könne, weil bei diesem Huhn, dem die Innereien Hals, Herz und Leber beigegeben worden seien, die Innerei Hals nicht frei von der Luftröhre gewesen sei. Eine Untersuchung der Rückstellprobe erfolgte nicht.
Mit Teilablehnungsbescheid vom 25.07.2001 versagte das beklagte Hauptzollamt der Klägerin Ausfuhrerstattung für eine Teilmenge von 543,20 kg, was im Wege der Hochrechnung des Gewichtsanteils der untersuchten, seiner Auffassung nach nicht erstattungsfähigen Probe auf das Gesamtgewicht einem Anteil von 9,58 % entsprach, und setzte insoweit auch gegenüber der Klägerin unter Hinweis auf Art. 51 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 eine Sanktion in Höhe von € 73,33 fest.
Die Klägerin hat nach erfolglosem Einspruchsverfahren am 07.05.2008 Klage erhoben. Sie verweist zum einen darauf, dass eine noch vorhandene Luftröhre kein Kriterium zur Einordnung in die Marktordnungs-Warenlistennummer sei. Zum anderen wendet sie ein, dass von den 10 begutachteten Hühnern lediglich 1 Schlachtkörper beanstandet worden sei. Auch bei bester Organisation der Betriebsabläufe und optimaler Qualitätskontrolle sowie unter Einsatz von qualifizierten und zuverlässigen Mitarbeitern seien indes vereinzelte Produktfehler nicht völlig zu vermeiden. Der beanstandete Geflügelschlachtkörper sei deshalb als sog. Ausreißer anzusehen, der sich nicht erstattungsmindernd auswirke.
Die Klägerin beantragt,
- 1. das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung des Bescheides vom 25.07.2001 und der Einspruchsentscheidung vom 10.04.2008 - soweit diese entgegenstehen - zu verpflichten, ihr auf ihren Erstattungsantrag vom 24.10.2000 Ausfuhrerstattung für weitere 543,20 kg zu gewähren;
- 2. den Bescheid vom 25.07.2001 und die Einspruchsentscheidung vom 10.04.2008 hinsichtlich der festgesetzten Sanktion aufzuheben.
Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verteidigt die angegriffenen Bescheide und merkt ergänzend an, dass durch das Abtrennen des Kopfes auch die Luft- und Speiseröhre entfernt werde. Eine noch ganz oder teilweise vorhandene Luftröhre - gleich, ob wie gewachsen oder im Innereienbeutel - stelle deshalb einen Verstoß gegen die tarifierungsrechtlichen Voraussetzungen dar mit der Folge, dass für eine solche Ware keine Erstattung gewährt werden könne.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes verwiesen.
Entscheidungsgründe
II. Der beschließende Senat setzt das Verfahren in analoger Anwendung des § 74 FGO aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union die im Tenor genannten Fragen zur Vorabentscheidung vor. Denn die rechtliche Würdigung des Falles ist gemeinschaftsrechtlich zweifelhaft:
1. Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen
In Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2777/75 des Rates vom 29.10.1975 über die gemeinsame Marktorganisation für Geflügelfleisch (ABl. Nr. L 282/77, im Folgenden: VO Nr. 2777/75) ist bestimmt, dass - u. a. - für gefrorenes Fleisch von Hausgeflügel Ausfuhrerstattung gewährt werden kann. Auf die vorliegend streitgegenständliche Ausfuhr vom Oktober 2000 findet die Verordnung (EG) Nr. 1932/2000 der Kommission vom ...