Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit von Art. 204 ZK auf die Einfuhrumsatzsteuer bei wieder ausgeführten Waren - zulässige Behandlung im Sinne von Art. 52 ZK
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 204 ZK ist nicht auf die Einfuhrumsatzsteuer anwendbar, wenn Nicht-Unionswaren aus der vorübergehenden Verwahrung (Art. 50 ff. ZK) oder einem Zolllager im Ausfuhrverfahren in ein Drittland ausgeführt werden (vgl. EuGH, Urt. vom 02.06.2016, verb. Rs. C-226/14 und C-228/14).
2. Erhaltungsmaßnahmen im Sinne von Art. 52 ZK sind nur solche Maßnahmen, die final auf die Erhaltung des unveränderten Zustands, in dem sich die Ware bei Überführung in die vorübergehende Verwahrung befunden hat, gerichtet sind. Hier: Das Behandeln in einer Hammermühle (sog. "Schroten") von Sojaschrot in Pelletform, um es für den Weiterverkauf aufzubereiten, ist keine solche Maßnahme.
Normenkette
UStG § 21 Abs. 2; ZK Art. 52, 204; MwStSystRL Art. 2 Abs. 1, Art. 61 Abs. 1, Art. 156; ZKDV Art. 859; ZKDV Anhang 72
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Einfuhrumsatzsteuer für Waren in der vorübergehenden Verwahrung.
Die Klägerin, die ein Importhafenterminal für Getreide und Futtermittel betreibt, überführte am 31.01.2015 insgesamt 35.391,646 t Sojaschrot in Pelletform ("soyabeanmeal pellets"; im Folgenden: "die Ware") brasilianischen Ursprungs der Unterposition 2304 0000 KN in die vorübergehende Verwahrung (Art. 50 ZK).
Sojaschrot, der auch als Sojamehl bezeichnet wird, ist ein Stoff, der bei der Gewinnung pflanzlicher Öle aus Sojabohnen anfällt. In vielen Ölmühlen, die Sojaöl herstellen, wird der Sojaschrot in einem mechanischen Pressvorgang pelletiert. Hierdurch wird nicht nur die Staubbelastung des Sojaschrots verringert. Durch die Reduzierung des Volumens lässt sich der Sojaschrot platzsparender verstauen und ist leichter zu schütten. Da die Ölmühlen ihre Pelletieranlagen nicht immer durchgängig betreiben, besteht eine Lieferung aus Sojaschrot in Pelletform von vornherein nicht immer vollständig aus Pellets. Zum weiteren Zerfall der Pellets kommt es durch transportbedingte Warenbewegungen.
In der Zeit vom 04. bis 06.02.2015 wurden 15.000 t der Ware auf Wunsch eines Kunden der Klägerin über eine Hammermühle geführt, um die Pelletform der Ware vollständig aufzuheben und ihr somit eine homogene Struktur zu verleihen. Dieser Vorgang wird branchenüblich als "Schroten" bezeichnet. Da der Großteil der Ware vor dem Passieren der Hammermühle seine Pellet-Form bereits verloren hatte, fiel er ohne Weiteres durch den Siebeinsatz. Die übrige Ware, die noch aus Pellets bestand, wurde mechanisch solange bearbeitet ("mittels Schlägen geteilt"), bis sie klein genug war, um durch das Sieb zu fallen. Von den 15.000 t der Ware wurden 8.834,105 t aus der vorübergehenden Verwahrung im Ausfuhrverfahren nach Russland exportiert. Die übrigen 6.165,895 t wurden am 16.03.2015 zunächst in das Zolllagerverfahren überführt. Hiervon wurden am 20. und 30.03.2015 jeweils 3.000 t im Ausfuhrverfahren nach Russland ausgeführt. Die Restmenge der ins Zolllager überführten Ware mit einem Gewicht von 165.895 kg (165,895 t) wurde mit Zollanmeldung AT/C/40/...-1 vom 25.03.2015 von der Klägerin als direkte Vertreterin der A Handelsgesellschaft mbH zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr ohne steuerbefreiende Lieferung angemeldet. Der Beklagte nahm diese Zollanmeldung jedoch nicht an, weil er die Auffassung vertrat, dass das "Schroten" eine im Rahmen der vorübergehenden Verwahrung unzulässige Behandlung gewesen sei.
Nach weiteren Ermittlungen setzte der Beklagte mit Einfuhrabgabenbescheid AT/S/00/...-2 vom 22.04.2015 im Hinblick auf die 15.000 t der Ware, die über die Hammermühle gefahren worden waren, Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 7 %, mithin ... €, fest. Als Schroten bezeichne man die mechanische Verarbeitung von Körnern zur Veränderung ihrer Größe. Mit dieser mechanischen Behandlung habe die Klägerin die technischen Merkmale der Ware verändert, so dass sie eine Pflicht aus der vorübergehenden Verwahrung verletzt habe. Folglich sei die Einfuhrumsatzsteuerschuld gem. Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK i. V. m. § 21 Abs. 2 UStG entstanden.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 06.05.2015 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie an, dass das Schroten eine in der vorübergehenden Verwahrung zulässige Behandlung gemäß Art. 52 ZK sei. Auch wenn keine abschließende Aufzählung der zulässigen Behandlungen existiere, sollten jedoch die Fallgruppen 1, 3, 4, 6 und 7 des Anhangs 72 ZKDVO weitgehend hierunter fallen. In der Fallgruppe 3 dieses Anhangs sei "Sieben, mechanisches Klären und Wiegen der Waren" genannt. Das "Schroten" der Ware sei dem Sieben vergleichbar, da beide Behandlungsweisen zu einer homogenen Produktbeschaffenheit beitrügen. Der Bescheid ginge von falschen tatsächlichen Voraussetzungen aus. Zwar werde das Behandeln der Ware in der Hammermühle auch als "schroten" bezeichnet. Dieser Vorgang habe jedoch mit dem Schroten von Getreide, be...