Revision eingelegt (BFH VII R 40/13)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbrauchsteuerrecht: örtliche Zuständigkeit für die Besteuerung von Fehlmengen im zwischenmitgliedstaatlichen Steueraussetzungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Wird nach einer Beförderung von Gasöl in einem Steueraussetzungsverfahren aus einem anderen Mitgliedstaat in das Steuergebiet des EnergieStG bei einer unmittelbar anschließenden Mengenmessung im Tank des Empfängers eine Fehlmenge festgestellt, so sind die deutschen Behörden für die Steuerfestsetzung zuständig.
2. Die Mengenermittlung ist Teil der "Aufnahme im Lager des Empfängers", mit der nach § 11 Abs. 4 Satz 2 EnergieStG die Beförderung endet.
3. Der nach § 8 Abs. 1a Satz 3 EnergieStG zu erbringende Nachweis für der Steuerfestsetzung entgegenstehende Zerstörung oder Verlust der Ware umfasst auch die in § 8 Abs. 1a Satz 1 EnergieStG vorausgesetzten Umstände.
4. Durch § 14 Abs. 3 i. V. m. § 8a Abs. 1a, § 11 Abs. 4 EnergieStG sind die Regelungen in Art. 10 Abs. 2, 4 i. V. m. Art. 7 Abs. 2 Buchst. a), Abs. 4, Art. 20 Abs. 2 der Systemrichtlinie 2008/118/EG richtlinienkonform umgesetzt.
Normenkette
EnergieStG § 8 Abs. 1a S. 1, § 8 Abs. 1a Satz 3, § 11 Abs. 4 Satz 2, § 14 Abs. 1-3
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte für die Festsetzung von Energiesteuer für eine Fehlmenge von im innergemeinschaftlichen Steueraussetzungsverfahren durch die Klägerin beförderten Gasöls zuständig ist.
1. Die Klägerin versandte im Januar 2011 eine Menge von rund 2,4 Mio. Liter Gasöl unter Steueraussetzung aus den Niederlanden nach Deutschland. Empfänger war die Fa. A ... GmbH & Co. KG, Tanklager B. Das Gasöl der Sendung wurde nach dem Transport aus dem transportierenden Motorschiff in einen Tank der Empfängerin gepumpt. Anhand der Peilhöhe im Tank wurde sodann die empfangene Menge ermittelt (s. Anlage K 3). Der Empfänger stellte - zutreffend, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - eine gegenüber den Angaben im Versandpapier um 4.854 Litern / 15°C geringere Menge fest, was 0,202% der angemeldeten Menge entspricht. Der Empfänger teilte die Mengenabweichung den Zollbehörden in seiner Eingangsmitteilung mit.
Der Beklagte setzte mit Abgabenbescheid vom 16.01.2012 Energiesteuer in Höhe von EUR 24,93 fest für die Menge von 53 Litern Gasöl, um die die Fehlmenge eine im Steuergebiet generell akzeptierte Toleranzgröße von 0,2% überschritten hatte.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 14.02.2012 Einspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass für die Überprüfung von Mengenabweichungen die für den Versender zuständige Behörde, im vorliegenden Fall die niederländische Zollstelle in C zuständig sei. Diese sei allerdings nicht tätig geworden, weil die Toleranzschwelle für Mengenabweichungen bei Gasöl in den Niederlanden bei 0,3% liege.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 03.04.2012 zurück. Wegen ihres Inhalts wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
2. Die Klägerin hat am 07.05.2012 Klage erhoben.
Sie vertritt die Ansicht, der Beklagte sei für die Festsetzung der Steuer nicht zuständig. Die unstreitig eingetretene Unregelmäßigkeit gelte nach § 14 Abs. 4 EnergieStG i. V. m. Art. 10 Abs. 4 RL 2008/118/EG als in den Niederlanden als dem Abgangsmitgliedstaat entstanden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien erfüllt. Die Fehlmenge sei nicht am Bestimmungsort eingetroffen, ohne dass während der Beförderung eine Unregelmäßigkeit festgestellt worden sei. Die Ermittlung der Fehlmenge sei erst nach Beendigung des Steueraussetzungsverfahrens erfolgt. Ergänzend ist die Klägerin im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale der genannten Vorschriften der Auffassung, dass bei der Feststellung von Fehlmengen begriffslogisch immer ein Fall von nicht am Bestimmungsort eingetroffenen Waren gegeben sei. Das deutsche Recht entspreche der Regelung des Art. 10 Abs. 4 RL 2008/11/EG, wie ein Umkehrschluss aus § 14 Abs. 4 EnergieStG zeige. Im Übrigen obliege auch nach den zu beachtenden deutschen Dienstvorschriften (VSF V 8215-2 und VSF V 9953-1) schon die bloße Überprüfung von Mengenabweichungen im Rahmen des Steueraussetzungsverfahrens grundsätzlich zunächst der für den Versender zuständigen Behörden, hier also dem niederländischen Zoll.
Die Klägerin weist darauf hin, dass es über den vorliegenden Fall hinaus bei Mengenschwankungen, die bei Beförderungen im Steueraussetzungsverfahren technisch bedingt aufträten, immer wieder zu Kompetenzkonflikten und unterschiedlicher Anwendung des Richtlinienrechts durch die Behörden verschiedener Mitgliedstaaten komme, die für alle Beteiligten zu Rechtsunsicherheiten und hohem Verwaltungsaufwand führten.
Die Klägerin beantragt,
den Abgabenbescheid vom 16.01.2012 und die Einspruchsentscheidung vom 03.04.2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte leitet seine Zuständigkeit aus der Vorschrift des § 14 Abs. 2 EnergieStG i. V. m. Art. 10 Abs. 2 RL 2008/1...