Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollrecht / Abgabenbefreiung
Leitsatz (redaktionell)
Der Diebstahl des Übersiedlungsgutes während der Jahresfrist steht der Befreiung von den Einfuhrabgaben gemäß der Zollbefreiungsverordnung auf der Grundlage des Art. 212a Zollkodex in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 82/97 nicht entgegen.
Normenkette
EWGV 2913/92 Art. 203, 212a; EWGV 918/83 Art. 7
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Entstehung von Einfuhrabgaben.
Auf Zollantrag und Zollanmeldung des Klägers vom 25.6.1997 wurde der Pkw "X" des Klägers ohne Erhebung von Eingangsabgaben als Übersiedlungsgut aus den USA in den zollrechtlich freien Verkehr überführt. Unter Ziff. 8 des von der Zollstelle auszufüllenden Zollbeleges ist folgender Hinweis enthalten: "Die Waren dürfen ohne vorherige Unterrichtung der überwachenden Zollstelle nicht vor dem (Datum) 26.06.98 verliehen, verpfändet, vermietet, veräußert oder sonst überlassen werden. Bei Weitergabe vor Ablauf dieser Frist werden die Eingangsabgaben erhoben".
Am 20.3.1998 wurde der Pkw gestohlen. Das eingeleitete Strafverfahren wurde eingestellt, da ein Dieb nicht ermittelt werden konnte. Die Kfz-Versicherung des Klägers hat den Kaskoschaden mit 40.000 DM reguliert.
Mit Bescheid vom 4.1.1999 forderte der Beklagte (vormals Hauptzollamt H) auf den ermittelten Zollwert des Pkw in Höhe von 31.348 DM Zoll in Höhe von 3.134,80 DM und Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) in Höhe von 5.517,25 DM von dem Kläger an. Zur Begründung führte der Beklagte an, dass der Pkw gestohlen und damit der zollamtlichen Überwachung entzogen worden sei. Der Kläger hafte mithin neben dem Dieb gesamtschuldnerisch gemäß Art 203, 213 Zollkodex. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit am 11.1.1999 eingegangenen Schreiben Einspruch ein und stellte hilfsweise einen Antrag auf Erlass der angeforderten Beträge aus Billigkeitsgründen. Mit Einspruchsentscheidung vom 23.02.2000 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. In den Gründen lehnte er auch den beantragten Billigkeitserlass ab. Hierauf hat der Kläger am 20.03.2000 Klage erhoben.
Der Kläger trägt vor: Der Beklagte berücksichtige nicht hinreichend, dass die verschuldensunabhängige Haftung des Steuerschuldners im Streitfall bewirke, dass der bestohlene Eigentümer für den Dieb in Anspruch genommen werde. Entsprechend dem Beschluss des Senats über die Aussetzung der Vollziehung vom 24.03.1999 bestehe die Befreiung von den Einfuhrabgaben für das Übersiedlungsgut ungeachtet des Diebstahls gem. Art. 212a Zollkodex fort.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 4.1.1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.02.2000 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor: Grund für den Steuerbescheid sei nicht der Diebstahl, sondern die Tatsache, dass der Pkw innerhalb der Verwendungsfrist der zollamtlichen Überwachung entzogen worden sei. Zollschuldner sei gemäß Art. 203 Abs. 3 erster Anstrich Zollkodex die Person, die den Pkw der zollamtlichen Überwachung entzogen habe. Zollschuldner sei der Kläger als Verfahrensinhaber gemäß Art. 203 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 vierter Anstrich Zollkodex. Art. 212a Zollkodex finde im Streitfall keine Anwendung. Missachtungen der Zweckbindung könnten anders als bloße Verfahrensverstöße nicht gem. Art. 212a Zollkodex geheilt werden. Der Beklagte weist insoweit auf die Kommentierungen zum Zollkodex bei Witte (2. Aufl. Art. 212a Rn. 5) und Dorsch (Art. 212a Lfg. September 1999 Rn.1) hin. Hierfür spreche auch die beabsichtigte (und inzwischen in Kraft getretene) Neufassung des Art. 212a Zollkodex auf der Grundlage des Gemeinsamen Standpunktes (EG) Nr. 31/2000, vom Rat vorgelegt am 25.05.2000. Ein Abgabenerlass aus Billigkeitsgründen komme im Ergebnis nicht in Betracht.
Dem Senat hat ein Hefter Sachakten des Beklagten mit Unterlagen über das Besteuerungsverfahren und das Rechtsbehelfsverfahren vorgelegen. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet gem. § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.
I. Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
Zwar ist der Kläger im Grundsatz Zollschuldner gemäß Art. 203 Abs.1 i.V.m. Abs.3 vierter Anstrich der Verordnung (EWG) Nr.2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12.10.1992 (Zollkodex; Abl. Nr. L 302/1). Indes ist er von den im Grundsatz entstandenen Einfuhrabgaben gem. Art. 212a Zollkodex befreit.
Gemäß Art. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 c der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28.3.1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen - Zollbefreiungsverordnung - (ABl. Nr. L 105/1) i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 355/94 des Rates vom 14.2.1994 (ABl. Nr. L 46/5) i.V.m. Art. 184 Zollkodex war die Einfuhr des Pkw X als sog. Übersiedlungsgut von den Eingangsabgaben befreit. Die Zollbefreiungsverordnung gilt ungeachtet der zwischenzeitlichen Einführung des ...