Revision eingelegt (BFH V R 4/18)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerliche Behandlung entgeltlicher Einzelberatungen einer als gemeinnützig anerkannten Verbraucherzentrale
Leitsatz (amtlich)
1. Leistungen von (originären) Zweckbetrieben i. S. v. § 65 AO unterliegen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz. Die Einschränkung (Rückausnahme) gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG (durch das JStG 2007) findet nur Anwendung auf (Katalog-) Zweckbetriebe i. S. v. §§ 66 - 68 AO.
2. Eine gemeinnützige Körperschaft i. S. v. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG i. V. m. §§ 51 - 68 AO kann ihre Leistungen bis zu einer Änderung des deutschen Umsatzsteuerrechts unter Berufung auf die für sie günstigere nationale Regelung dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterwerfen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Vorgaben der Nr. 15 Anhang III der MwStSystRL erfüllt sind.
3. Verfolgt eine Körperschaft die gemeinnützigen Zwecke des Verbraucherschutzes und der Verbraucherberatung i. S. v. § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 16 AO und erfüllt sie diese Aufgaben gemäß ihrer Satzung u. a. durch individuelle Beratung einzelner Verbraucher, kann der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb entgeltliche Einzelberatung ein (steuerbegünstigter) Zweckbetrieb i. S. v. § 65 AO sein.
4. Unterwirft ein Steuerpflichtiger bestimmte Leistungen aufgrund einer individuellen Vorgabe der für ihn örtlich zuständigen obersten Finanzbehörde des Landes und eines andernfalls angedrohten Verlustes seines gemeinnützigen Status' dem allgemeinen Umsatzsteuersatz und weist die Umsatzsteuer in den Rechnungen an die Leistungsempfänger gesondert aus, kann die Klärung des auf diese Leistungen richtigerweise anzuwendenden Umsatzsteuersatzes im Wege der Feststellungsklage zulässig sein.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a; AO § 65; FGO §§ 41, 67
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob vom Kläger gegen Entgelt erbrachte Beratungsleistungen dem ermäßigten oder dem Regelsteuersatz nach dem Umsatzsteuergesetz (-UStG-) unterliegen.
1. Der Kläger ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein. Für ihn gilt die Satzung vom ...1957 in der Fassung vom ... 2003. Gemäß § 2 der Satzung hat der Kläger u. a. die Aufgabe, die Position und das Recht der Verbraucherinnen und Verbraucher in einer sozialen Marktwirtschaft zu stärken (Abs. 1 Buchst. a), die Verbraucherinnen und Verbraucher in objektiver Weise über ihre gesetzlichen Rechte zu informieren und zu vertreten (Buchst. c) und als Interessenvertretung der Verbraucherinnen und Verbraucher zu wirken (Buchst. d). Der Kläger erfüllt diese Aufgaben u. a. durch enge Zusammenarbeit mit Behörden und Medien sowie durch Einwirkung auf Wirtschaftsverbände, Unternehmen, staatliche Anbieter und andere Institutionen (Abs. 2 Buchst. a), durch Öffentlichkeitsarbeit, Ausstellungen, Vorträge, Fortbildungsveranstaltungen und andere geeignete Maßnahmen (Buchst. b), durch individuelle Beratung, Hilfestellung und Vertretung (Buchst. c) sowie durch die Verfolgung von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht und andere Gesetze, soweit hierdurch Verbraucherinteressen berührt sind (Buchst. d). Gemäß § 3 der Satzung verfolgt der Kläger ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts "steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung -AO- (Abs. 1) und ist selbstlos tätig; er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke (Abs. 2 Satz 1).
2. Bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2011 erklärte der Kläger mit seinen "Erklärungen zur Körperschaft- und Gewerbesteuer von Körperschaften, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen" (Gemeinnützigkeitserklärungen) unter anderem auch Einkünfte aus einem von ihm unterhaltenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gemäß § 64 AO. Einkünfte aus entgeltlichen Einzelberatungen waren hierin nicht enthalten; diese erklärte der Kläger als Zweckbetrieb gemäß § 65 AO. Für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ergab sich unter Berücksichtigung der Besteuerungsgrenze nach § 64 AO bzw. der Freibeträge nach § 24 des Körperschaftsteuergesetzes (-KStG-) und § 11 Abs. 1 Satz 3 des Gewerbesteuergesetzes (-GewStG-) keine Körperschaft- und keine Gewerbesteuer (...). Die Einordnung der entgeltlichen Beratungen als Zweckbetrieb beanstandete der Beklagte nicht (...). Im Rahmen der Umsatzsteuererklärungen bis zum Veranlagungszeitraum 2011 erklärte der Kläger die von ihm erzielten Einnahmen aus entgeltlichen Beratungen zum ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG und wurde vom Beklagten entsprechend veranlagt.
3. Mit Schreiben vom 02.12.2010 teilte die Finanzbehörde Hamburg (...) dem Kläger mit, nach dem Ergebnis der Erörterungen der für das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht zuständigen Gremien der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder gehöre die entgeltliche Vertretung von Einzelinteressen - einschließlich der individuellen (Rechts-) Beratung - durch die Verbrauche...