Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuerrecht: Kein Anspruch eines verwitweten Elternteils auf Abzug eines halben statt des vollen Kinderfreibetrages
Leitsatz (amtlich)
Die vollen (verdoppelten) Freibeträge wären im Rahmen der Günstigerprüfung selbst dann anzusetzen, wenn diese verzichtbar wären. Der Ansicht, es könne einerseits das volle Kindergeld vereinnahmt werden, andererseits aber im Rahmen der Günstigerprüfung nur das halbe Kindergeld dem halben Kinderfreibetrag zuzüglich dem vollen (verdoppelten) Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- und Ausbildungsbedarf gegenübergestellt werden, ist nicht zu folgen, denn dies würde zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Erhöhung des steuerlichen Existenzminimums für Halbwaisen führen.
Normenkette
EStG §§ 31-32
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob im Rahmen der Günstigerprüfung nach § 31 EStG für drei Kinder der Klägerin der volle Kinderfreibetrag und das volle Kindergeld oder der halbe Kinderfreibetrag und das halbe Kindergeld gegenüberzustellen sind.
Die Klägerin erzielt als Raumpflegerin Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Lohnsteuer wurde bei ihr nach Steuerklasse II abgezogen. Die Zahl der Kinderfreibeträge auf der Lohnsteuerkarte wurde vom Beklagten am 8. Februar 2002 von 2,5 auf 5,0 geändert.
Die Einkommensteuererklärung, bei deren Anfertigung der Prozessbevollmächtigte mitgewirkt hatte, wurde am 16. Juni 2003 abgegeben. Die Angaben zu den fünf leiblichen Kindern der Klägerin lauteten wie folgt:
Name |
Geburstdatum |
Kindschaftsverhältnis zu anderen Personen |
ausgez. Kindergeld/ zivilrechtl. Ausgl.anspr. |
A... |
1986 |
Vater verstorben |
924 |
B... |
1988 |
" |
924 |
C... |
1989 |
" |
924 |
D... |
1990 |
Vater verstorben ...2001 |
2.148 |
E... |
2000 |
Vater E, Adr. unbekannt |
2.148 |
Die ersten vier Kinder leben im Haushalt der Klägerin. Für E wurde "Hamburg" als Anschrift bezeichnet. Die Klägerin hat das Kindergeld für alle Kinder in voller Höhe erhalten, d.h. für die Kinder A, B und C jeweils 1.848 Euro.
Im Einkommensteuerbescheid vom 3. Juli 2003 wurde die Einkommensteuer nach einem zu versteuernden Einkommen von 15.231 Euro mit Progressionsvorbehalt für 4.559 Euro Lohnersatzleistungen auf 2.445 Euro festgesetzt. Dabei berücksichtigte der Beklagte antragsgemäß einen Haushaltsfreibetrag. Kinderfreibeträge wurden nicht abgezogen. Die Günstigerprüfung habe ergeben, dass die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder durch das ausgezahlte Kindergeld bewirkt worden sei. Für die am ...1986, ...1988 und ...1989 geborenen Kinder sei der volle Kinderfreibetrag unter Gegenüberstellung des vollen Kindergeldes berücksichtigt, da der andere Elternteil verstorben sei.
Mit dem am 25. Juli 2003 beim Beklagten eingegangenen Einspruch wurde um Berücksichtigung der halben Kinderfreibeträge sowie der vollen Betreuungsfreibeträge für die Kinder A, B und C gebeten. Der Klägerin stehe der volle Kinderfreibetrag zwar zu, sie müsse ihn aber nicht in Anspruch nehmen.
Der Beklagte antwortete mit Schreiben vom 31. Juli 2003, der leibliche Vater der fraglichen Kinder sei nach Aktenlage verstorben. Damit stünden der Mutter die vollen Kinderfreibeträge zu, sie erhalte auch das volle Kindergeld, ohne dass ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch Dritter bestehe. Das gezahlte Kindergeld werde der tariflichen Einkommensteuer in einem Umfang hinzugerechnet, der der Minderung des Einkommens um die Kinderfreibeträge entspreche. Im Umkehrschluss könne bei Zahlung des vollen Kindergeldes auch nur der volle Kinderfreibetrag berücksichtigt werden. Ein Verzicht auf den vollen Kinderfreibetrag sei daher ausgeschlossen.
Nachdem der Prozessbevollmächtigte an seiner Rechtsauffassung festhielt, wies der Beklagte den Einspruch am 2. September 2003 als unbegründet zurück.
Dagegen richtet sich die am 9. September 2003 beim Gericht eingegangene Klage, mit der für die drei ältesten Kinder bei der Günstigerrechnung jeweils der Ansatz der hälftigen Kinderfreibeträge von 1.848 Euro (für drei Kinder also 5.472 Euro) statt der vollen Kinderfreibeträge von je 3.648 Euro und die Verrechnung des hälftigen Kindergeldes von je 924 Euro statt der tatsächlich vereinnahmten 1.848 Euro geltend gemacht wird.
Die Klägerin trägt vor, ihr stehe der volle Kinderfreibetrag für die drei ältesten Kinder zu, weil der andere Elternteil verstorben sei. Dies besage jedoch nicht, dass der volle Kinderfreibetrag zwingend berücksichtigt werden müsse. Es bestehe lediglich einen Anspruch darauf. Für sie sei der hälftige Ansatz der Kinderfreibeträge vorteilhaft, weil dann bei der Günstigerprüfung gem. § 31 Satz 4 EStG auch nur das hälftige Kindergeld zu verrechnen sei. Denn die Halbierung des Kinderfreibetrages unter Anrechnung des hälftigen Kindergeldes ziehe nicht auch die Halbierung des Freibetrages für Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf nach sich. Dieser stelle einen vom Kinderfreibetrag unabhängigen eigenständigen Freibetrag...