Entscheidungsstichwort (Thema)

Zollrecht: Einfuhrabgabenbefreiung für Übersiedlungsgut - Bestimmung des "gewöhnlichen Wohnsitzes" im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009

 

Leitsatz (amtlich)

Ein überwiegender Aufenthalt im Drittstaat zieht nicht zwangsläufig eine Verlegung des ursprünglich im Zollgebiet der Gemeinschaft bestehenden gewöhnlichen Wohnsitzes nach sich, sofern dauerhaft gewichtige Bindungen an diesen Mitgliedstaat beibehalten werden.

 

Normenkette

EGV 1186/2009 Art. 3; ZK Art. 184, 201

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Erstattung von Einfuhrabgaben für von der Klägerin von Australien nach Deutschland überführten Hausrat.

Die seit 1982 bis heute in A gemeldete Klägerin ist von Beruf Malerin. Im Jahr 2000 erteilten die australischen Behörden ihr und ihrem Ehemann auf 10 Jahre befristete Visa. Sie mieteten in Australien ein nicht möbliertes Haus an und richteten dieses ein. Der Mietvertrag war, wie es in Australien üblich ist, befristet und wurde jeweils um ein Jahr verlängert. Fortan verbrachten die Eheleute die Wintermonate ab in der Regel September bzw. Oktober in Australien und flogen regelmäßig im April oder Mai zurück nach A. Aus den Ein- und Ausreisestempeln der australischen Grenzbehörde in ihren Reisepässen folgt, dass die Klägerin im Zeitraum vom ...08.2000 bis zum ...03.2012 ihre Zeit zu (aufgerundet) 58 % in Australien und zu 42 % in Deutschland verbrachte. In A wohnten die Eheleute in ihrer 1990 bezogenen Mietwohnung, in der sie bis heute leben. Die Wohnung vermieteten sie während ihrer Australienaufenthalte nicht an Dritte. Hausrat- und Haftpflichtversicherung blieben bestehen. Die Eheleute fertigten jährlich in A eine Steuererklärung.

Den Lebensunterhalt bestritten sie anfangs aus dem Einkommen des Ehemanns als Inhaber eines Unternehmens in A, später zum geringen Teil aus seiner gesetzlichen Rente und überwiegend aus Ersparnissen. Der Verkauf von Bildern der Klägerin trug nur unwesentlich zum Lebensunterhalt bei.

Die Klägerin und ihr Ehemann unterhielten sowohl in A als auch in Australien ein Auto. Während ihrer Aufenthalte in Australien schloss die Klägerin entsprechend den Visabestimmungen eine befristete private Krankenversicherung ab. Im Bundesgebiet verfügte sie ebenfalls über eine private Krankenversicherung, die sie während ihrer Abwesenheit jeweils zum Ruhen brachte. Sie zog es vor, sich in Australien ärztlich behandeln zu lassen und Vorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen. Die Eheleute besaßen in beiden Ländern Konten.

Der Malerei ging die Klägerin sowohl in Deutschland, überwiegend aber in Australien nach, wo sie ein Atelier im Haus hatte. Ihre Bilder stellte sie in beiden Ländern aus.

Im Jahr 2010 verlängerten die Eheleute ihre Visa um weitere 10 Jahre. Die Idee, ganz nach Australien auszuwandern, verwarfen sie, da sie nicht von einem Leben mit ihrer Muttersprache Abstand nehmen wollten. Um jedoch wieder einmal die Jahreszeiten in A zu erleben, verlängerten sie den zum März 2012 auslaufenden Mietvertrag nicht und planten, für eineinhalb Jahre in A zu bleiben. Einen Teil ihrer Habe verschifften sie deshalb nach Deutschland, einen anderen Teil lagerten sie in Australien ein.

Im Frühjahr 2014 trafen sie die Entscheidung, nicht nach Australien zurückzukehren, lösten das dortige Lager auf und verschifften die verbliebenen 12 Kartons, in denen sich überwiegend Bücher aber auch Kleidung, Schuhe und Küchenutensilien befanden, nach A.

Dort meldete die Klägerin die Waren am 06.08.2014 als Übersiedlungsgut beim Beklagten zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Sie gab an, ab 2009 in Australien gewohnt zu haben und am 01.03.2012 nach Deutschland übergesiedelt zu sein. Der Wert des Übersiedlungsgutes betrage 400 €. Sie beantragte eine vereinfachte Abfertigung nach Art. 81 ZK.

Der Beklagte vermerkte, dass die beantragte Abfertigung als Übersiedlungsgut nicht möglich sei, da die Waren nicht gem. § 7 der Zollbefreiungsverordnung innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach der Wohnsitzverlegung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet worden seien und erließ am 06.08.2014 einen Einfuhrabgabenbescheid über 156,44 € (67,60 € Zoll und 88,84 € Einfuhrumsatzsteuer). Dabei legte er zur Berechnung des Zolls der gesamten Ware den für Schuhe geltenden Drittlandszollsatz von 16,9 % zugrunde. Die Zollsätze der übrigen Waren waren allesamt niedriger. Die Klägerin zahlte die 156,44 € und erhielt die Kartons ausgehändigt.

Am 08.08.2014 legte sie Einspruch gegen den Abgabenbescheid ein. Es lägen plausible Gründe für die Fristüberschreitung vor. Daneben sei die Mitarbeiterin des Beklagten nicht bereit gewesen, die Waren differenziert zu besteuern.

Mit Schreiben vom 05.09.2014 erteilte das Hauptzollamt A eine Ausnahmegenehmigung wegen der Fristüberschreitung nach § 7 der Zollbefreiungsverordnung.

Nachdem der Beklagte von der Ausnahmegenehmigung Kenntnis erlangt hatte, teilte er der Klägerin mit, dass er das Einspruchsschreiben als Erstattungsantrag auslege und bat darum, mittels gee...

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