rechtskräftig
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Einkommensteuergesetz – EStG –) oder aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG), nämlich aus künstlerischer Tätigkeit, erzielt hat.
Der Kläger betreibt ein Schriftenatelier. Er befaßt sich mit der Herstellung und Überarbeitung von Schriften für unterschiedliche Satzsysteme. Zu seiner Tätigkeit gehört der Entwurf von Schriften zur Schmuckgravur sowie das Design von Bildschirmschriften und Schriften für Laserdrucker. Er hat ein Studium der freien Kunst in den Fächern Malerei, Bildhauerei und Typografie absolviert, war im Anschluß als freier Künstler tätig und ist seit 1985 selbständig.
Der Beklagte erfaßte seine Einkünfte nach Einholung einer Stellungnahme des Gutachterausschusses bei der Oberfinanzdirektion als solche aus Gewerbebetrieb und erließ Gewerbesteuermeßbetrags- und Gewerbesteuerbescheide. Im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer berücksichtigte er in den Streitjahren 1987 bis 1989 nicht den Freibetrag nach § 18 Abs. 4 EStG in Höhe von 1.200 DM.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinen Einsprüchen vom 20.7.1994 sowie – bezüglich Gewerbesteuermeßbetrag und Gewerbesteuer 1992 – vom 9.12.1994. Der Rechtsbehelf blieb erfolglos. Die Einspruchsentscheidung wurde am 11.4.1995 zugestellt.
Mit der am 5.5.1995 eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit. Er ist der Auffassung, daß künstlerische Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorliege, und stützt sich auf die im Rechtsbehelfsverfahren vorgelegten Stellungnahmen der Professoren A und V.
Der Kläger beantragt,
die Einkommensteuerbescheide 1987 bis 1989 vom 28.6.1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7.4.1994 mit der Maßgabe abzuändern, daß der Freibetrag gemäß § 18 Abs. 4 EStG berücksichtigt und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird, und zwar für
1987 auf |
… DM |
1988 auf |
… DM |
1989 auf |
… DM |
sowie die Gewerbesteuermeßbescheide 1987 bis 1992 vom 20.7.1994 und 9.12.1994 und die Einspruchsentscheidung vom 7.4.1995 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt
Klagabweisung.
Er hält den Nachweis für das Vorliegen einer künstlerischen Tätigkeit nicht für erbracht.
Über die Frage der künstlerischen Tätigkeit hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung der Sachverständigen Prof. A und Prof. S. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Niederschriften vom 18.4.1997 und 2.2.1998 Bezug genommen.
Die Einkommensteuerakten (II), Gewerbesteuerakten (I), Rechtsbehelfsakten sowie Betriebsprüfungsakten und Betriebsprüfungsarbeitsakten zur Steuernummer … haben vorgelegen. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Die zulässige Klage ist begründet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, daß der Kläger Einkünfte aus freiberuflicher künstlerischer Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt hat.
I.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG liegt eine künstlerische Tätigkeit des Steuerpflichtigen vor, wenn er eine eigenschöpferische Leistung vollbringt, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine gewisse Gestaltungshöhe erreicht (vgl. BFH-Urteile vom 26.2.1987 IV R 105/85, BStBl II 1987, 376; vom 23.8.1990 IV R 61/89, BStBl II 1991, 20 und vom 11.7.1991 IV R 102/90, BStBl II 1992, 413).
Im Streitfall ist das Gericht auf der Grundlage der eingeholten Sachverständigengutachten zu der Überzeugung gelangt, daß der Kläger künstlerisch tätig geworden ist.
Deshalb ist für die Streitjahre 1987 bis 1989 der Freibetrag nach § 18 Abs. 4 EStG in Höhe von jeweils DM 1.200 steuermindernd zu berücksichtigen. Die Gewerbesteuermeßbescheide sind aufzuheben.
Die vom Gericht eingeholten Gutachten der Sachverständigen Prof. A und Prof. S sind aufgrund nachvollziehbarer, schlüssiger und überzeugender Erkenntnisse zu dem Ergebnis gelangt, daß die Tätigkeit des Klägers anhand der vorgelegten Probearbeiten als künstlerisch anzusehen ist. Der Sachverständige Prof. A hat in einzelnen Merkmalen der vorgelegten Arbeitsproben individuelle, eigenschöpferische Elemente erkannt und ausgeschlossen, daß der Kläger gewissermaßen als Techniker von vorgefertigten und vorgegebenen Schriftelementen Gebrauch macht. In seiner Gesamtbeurteilung ist er zu der Auffassung gelangt, daß die Schriftentwürfe des Klägers künstlerisches Einfühlungsvermögen offenbaren, indem er historische Schriften interpretiert und neue Schriften entwickelt. Die Bandbreite der vom Kläger vorgelegten Arbeiten läßt nach den Erkenntnissen des Sachverständigen die Schlußfolgerung zu, daß sich sein künstlerisches Profil im Laufe der Jahre verstärkt hat.
Die Sachverständige Prof. Dr. S, die auf Antrag des Beklagten bestellt worden ist, hat in ihrem Gutachten die künstlerische Qualität der A...