Revision eingelegt (BFH V R 16/13)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung von Kindergeld für in England lebenden Sohn
Leitsatz (redaktionell)
Für sein in England bei der Mutter lebendes Kind steht dem in Deutschland lebenden Vater Kindergeld zu.
Normenkette
EStG § 64 Abs. 2, § 63 Abs. 1, § 32 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Kindergeld für den in England lebenden Sohn des Klägers.
Der Kläger hat in A einen Wohnsitz und geht hier einer Beschäftigung als Arbeitnehmer nach. Sein am ... 1996 geborener Sohn B lebte nach Trennung und Scheidung des Klägers von der Kindesmutter bei seiner Mutter. Die Kindesmutter zog zum 01.07.2011 mit B nach England. Im Hinblick auf diesen Wegzug wurde die bisher ihr gegenüber erfolgte Kindergeldfestsetzung für B ab Juli 2011 aufgehoben. In England hatte sie in dem hier maßgeblichen Zeitraum Juli 2011 bis Februar 2012 keinen Anspruch auf eine dem Kindergeld vergleichbare Familienleistung, das "child benefit". Dies ist mit dem Formular ... GB vom 19.07.2011 durch die zuständige Behörde im United Kingdom, das Child Benefit Office, bestätigt worden. Am 13.02.2012 kehrte B nach Deutschland zurück und lebte vorübergehend bis zum 11.04.2012 im Haushalt des Klägers.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12.10.2011 den Antrag des Klägers auf Gewährung von Kindergeld für B ab 01.07.2011 ab im Hinblick auf eine vorrangige Berechtigung der Kindesmutter gemäß § 64 Abs. 2 S. 1 Einkommensteuergesetz - EStG -. Der am 18.10.2011 eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 16.05.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Die Beklagte ging in der Einspruchsentscheidung von einem vorrangigen Anspruch der Kindesmutter unter Heranziehung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (Grundverordnung) und der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung Nr. 987/2009 (Durchführungsverordnung) aus. Für nähere Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Der Kläger hat am 15.06.2012 Klage erhoben mit dem Ziel der Gewährung von Kindergeld für das Kind B für den Zeitraum Juli 2011 bis Februar 2012.
Mit Bescheid vom 03.08.2012 hat die Beklagte gegenüber dem Kläger Kindergeld für das Kind B für den Zeitraum Februar bis April 2012 festgesetzt. Der Kläger hat im Hinblick auf diese Festsetzung die Hauptsache für Februar 2012 für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich hierzu nicht geäußert.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei ihm gegenüber zur Festsetzung von Kindergeld ab Juli 2011 verpflichtet. Er erfülle die Voraussetzungen der §§ 62 ff. EStG. Dagegen stehe der Kindesmutter nach der Wohnsitzverlegung nach England weder in Deutschland noch in England ein Anspruch auf Kindergeld oder vergleichbare Familienleistungen zu. In England setze ein Kindergeldanspruch einen ununterbrochenen Mindestaufenthalt des Anspruchsberechtigten von 180 Tagen voraus. Diese Voraussetzung sei bis zur Rückkehr des Kindes B nach Deutschland am 13.02.2012 nicht erfüllt gewesen. Die Grundverordnung (EG) und die Durchführungsverordnung (EG) führten nicht dazu, dass dem Kläger kein Kindergeld zu gewähren sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid vom 12.10.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.05.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für das Kind B Kindergeld für den Zeitraum Juli 2011 bis Januar 2012 zu gewähren, sowie festzustellen, dass die Hauptsache für Februar 2012 erledigt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger stehe kein Kindergeld für den streitigen Zeitraum für das Kind B zu. Es komme auch ein Anspruch auf Kindergeld in einem anderen Staat der Europäischen Union in Betracht, nämlich in Großbritannien. Nach der Grundverordnung (EG) und der Durchführungsverordnung (EG) werde, unabhängig von der Frage, ob ein Anspruch auf Familienleistungen in einem anderen Staat der Europäischen Union bestehe oder nicht, bei mehreren Berechtigten das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe (vgl. § 64 Abs. 2 S. 1 EStG). Dies sei im Streitfall die Kindesmutter. Diese sei daher vorrangig Berechtigte.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet und einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin zugestimmt.
Dem Gericht haben die Kindergeldakten der Beklagten bezüglich des Klägers (KG-Nr. -1) und bezüglich der Kindesmutter (KG-Nr. -2) vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht mit Zustimmung der Beteiligten gemäß § 79a Abs. 3,4 Finanzgerichtsordnung - FGO - durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin und gemäß § 90 Abs. 2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
I.
Die Klage ist begründet. Die Beklagte hat rechtswidrig den Antrag des Klägers auf Gewährung von Kindergeld für das Kind B ab Juli 2011 abgelehnt und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt, § 101 S. 1 FGO. Nachdem die Beklagte während des ...