Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Vorsteuerabzug aus Übernachtungskosten bei Dienstreisen von Arbeitnehmern

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. § 15 Abs. 1a Nr. 2 UStG verstößt gegen Art. 17 6. EG-Richtlinie.
  2. Steuerpflichtige können den Vorsteuerabzug für Übernachtungskosten unmittelbar aus Art. 17 6. EG-Richtlinie beanspruchen
 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 1a Nr. 2; EWGRL 388/77 Art. 17

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin der Vorsteuerabzug für Übernachtungskosten von Arbeitnehmern auf Dienstreisen entgegen der durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 eingeführten Regelung des § 15 Abs. 1a Nr. 2 UStG zusteht, weil diese Vorschrift gegen die 6. EG -Umsatzsteuer - Richtlinie verstößt.

In ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für April und Mai 1999 machte die Klägerin Vorsteuern "aus belegmäßig nachgewiesenen Reisekosten der Arbeitnehmer für Übernachtung" in Höhe von 1.825,93 DM (April) und 2.504,73 DM (Mai) geltend. Die geltend gemachte Vorsteuer ist in Höhe von 187,75 DM (April) und 84,26 DM (Mai) in Rechnungen ausgewiesen worden, die nicht die Klägerin als Leistungsempfängerin bezeichnen, sondern auf den Namen von Arbeitnehmern der Klägerin ausgestellt wurden. Die vorgenannten Kosten sind sämtlich durch die Klägerin getragen worden.

Der Beklagte berücksichtigte diese Vorsteuerbeträge gem. § 15 Abs. 1a Nr. 2 UStG nicht und setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen entsprechend höher fest, und zwar für April 1999 mit Bescheid vom 9. Juli 1999 auf ... Mio. DM und für Mai 1999 mit Bescheid vom 5. August 1999 auf ... Mio. DM. Am 14. Juli und am 6. August legte die Klägerin gegen diese Bescheide Einsprüche ein, die mit Einspruchsentscheidung vom 2. September 1999 als unbegründet zurückgewiesen wurden.

Dagegen richtet sich die beim Gericht am 21. September 1999 eingegangene Klage.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, das Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 1a Nr. 2 UStG verstoße gegen Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie. Die Regelung in Art. 17 der 6. EG-Richtlinie sei gegenüber § 15 Abs. 1a Nr. 2 UStG vorrangig und unmittelbar anwendbar. Sie könne deshalb den Vorsteuererstattungsanspruch - wie schon vor Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 - unmittelbar aus der allgemeinen Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG beanspruchen. Die in Rechnungen an Arbeitnehmer ausgewiesene Vorsteuer könne nach Abschnitt 196 Abs. 4 UStR 1996 abgezogen werden. Denn die Änderung des Abschnitts 196 durch die Umsatzsteuerrichtlinien 2000 sei erst für nach dem 31. Dezember 1999 ausgeführte Umsätze anzuwenden.

Die Klägerin beantragt, die Einspruchsentscheidung vom 2. September 1999 aufzuheben und die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für April 1999 um 1.825,93 DM niedriger auf - gerundet - (... Mio. - 1.825,93 =) ... Mio. DM und für Mai 1999 um 2.504,73 DM niedriger auf - gerundet - (... Mio. - 2.504,73 =) ... Mio. DM festzusetzen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Vorschrift des § 15 Abs. 1a Nr. 2 UStG verstoße nicht gegen die 6. EG-Richtlinie. Denn in Anspruch genommene Reiseleistungen wiesen keinen direkten Bezug zu den unternehmerischen Leistungen auf. Sie hätten auch keinen streng geschäftlichen Charakter, vielmehr sei ihnen ein privater Anteil immanent. § 15 Abs. 1 a Nr. 2 UStG sei systematisch vernünftig (Widmann, UR 1999, 20, 23 a.E.) und entspreche der Konzeption der Richtlinie. In anderen EU-Mitgliedsstaaten seien ähnliche Vorsteuerabzugsbeschränkungen in Kraft. Die Kommission habe zudem vorgeschlagen, die 6. EG-Richtlinie dahin zu ändern, dass der Vorsteuerabzug für Ausgaben betreffend Unterkunft und Verpflegung auf 50 % beschränkt werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.

  1. Die Klage ist nicht begründet, soweit die Rechnungen statt der Klägerin Arbeitnehmer als Leistungsempfänger ausweisen.

    Der Vorsteuerabzug setzt gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer Leistungsempfänger ist und (soweit nicht §§ 33, 34 UStDV eingreifen) über eine auf ihn ausgestellte Rechnung verfügt (vgl. Birkenfeld, in Hartmann/ Metzenmacher, UStG, E § 15 Abs. 1a, Rz. 199). Dies entspricht Art. 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 77/388 EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Umsatzsteuer - gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage - sogenannte 6. EG-Richtlinie - und ist folglich gemeinschaftsrechtlich unbedenklich.

    Soweit die Übernachtungsrechnungen auf die Arbeitnehmer ausgestellt wurden, fehlt es nicht nur an der auf den Unternehmer ausgestellten Rechnung, sondern auch am Leistungsbezug durch die Klägerin. Denn Leistungsempfänger ist grundsätzlich die aus dem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis berechtigte und verpflichtete Person. Bei Ausstellung einer Rechnung auf einen Arbeitnehmer ist davon auszugehen, dass dieser auch Vertragspartner des Hoteliers geworden ist, weil dessen geäußerter Wille, die in Deutschland allgemein bekannte und solvente Klägerin zu verpflichte...

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