Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollrecht: Nacherhebung von Einfuhrzoll - Dazu Berichtigungsbeschluss: 4 K 260/03 -
Leitsatz (amtlich)
Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex in der Fassung VO Nr. 2700/2000 ist auch auf eine Zollschuld anwendbar, die vor Inkrafttreten der VO Nr. 2700/2000 entstanden und nacherhoben worden ist (EuGH Urteil vom 9.3.2006, C-239/04).
Zu den Anforderungen an die Gutgläubigkeit im Sinne von Art. 220 Abs. 2 lit. b) Unterabs. 2 im Zusammenhang mit dem Präferenzstatus einer Ware.
Normenkette
EWGV 2913/92 Art. 220 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin wehrt sich gegen die Nacherhebung von Zoll und begehrt hilfsweise den Erlass einer Zollschuld.
Seit etwa 1995 führt die Klägerin in großem Umfang mehrmals jährlich Baumwoll-T-Shirts aus Bangladesh ein. In aller Regel erfolgen die Lieferungen durch die Firma A. K. Ltd., bei Engpässen werden sie - wie auch im vorliegenden Fall - durch die Firma F. K. M. Ltd. durchgeführt.
Am 3.7.1996 meldete die Klägerin die Einfuhr von insgesamt 15.750 T-Shirts zum freien Verkehr an und beantragte gleichzeitig unter Anmeldung des Präferenzcodes 200 und Vorlage des Ursprungszeugnisses nach Formblatt A, ausgestellt am 30.5. 1996 vom Export Promotion Bureau (EPB) in Bangladesh, die Inanspruchnahme des Präferenzzollsatzes "frei". Die Handelsrechnung enthielt die Bestätigung, dass es sich um Waren mit Ursprung in Bangladesh handele. Das Zollamt nahm die Zollanmeldung ohne Beschau an und gewährte die beantragte Zollfreiheit.
Im Rahmen einer Missionsreise vom 13.11. bis 5.12.1996 sind ca. 15.000 Ursprungszeugnisse, die vom EPB ausgestellt und im Zeitraum vom 1.1.1994 bis zum 30.9.1996 in der Gemeinschaft vorgelegt wurden, überprüft worden. Dabei stellte sich heraus, dass eine Vielzahl der Ursprungszeugnisse gefälscht bzw. sonst inhaltlich unrichtig war. Das EPB teilte der Kommission daraufhin mit Schreiben vom 1.10. 1997 mit, dass zahlreiche Ursprungszeugnisse widerrufen worden seien. Aus einer anliegenden Liste ist ersichtlich, dass hierunter auch das von der Klägerin im Streitfall vorgelegte Ursprungszeugnis fällt.
Mit Steueränderungsbescheid gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK vom 7.1.1998 forderte der Beklagte Einfuhrzoll in Höhe von 3.048,60 DM nach, da das vorgelegte Ursprungszeugnis für ungültig erklärt worden sei.
Am 19.1.1998 legte die Klägerin gegen den Steueränderungsbescheid vom 7.1.1998 Einspruch ein.
Mit Schreiben vom 19.8.1998 beantragte die Klägerin den Erlass des Zollbetrags aus Billigkeitsgründen. In diesem Verfahren legte sie mit Schreiben vom 21.6.2000 die Kopie eines Schreibens des EPB vom 14.5.2000 vor, in dem der Präferenzursprung für die streitgegenständlichen Textilien nachträglich bestätigt wurde. Diese Schreiben legte das seinerzeit zuständige Hauptzollamt Hamburg St. Annen dem Zollkriminalamt zur Überprüfung vor. Eine kriminaltechnische Überprüfung ergab, dass es sich bei diesem Schreiben um eine Fälschung handelte. Im Zuge der Ermittlungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung OLAF bestätigte das EPB dies. In einem ebenfalls unter dem 14.5.2000 gefertigten Schreiben des EPB an die Zentralstelle Ursprungsüberprüfung in Münster, das nachrichtlich auch an die Klägerin gesandt wurde, wurde mitgeteilt, dass eine nachträgliche Überprüfung von Ursprungszeugnissen nicht mehr möglich sei, da entsprechende Bezugsdokumente bei der Flutkatastrophe von 1998 vernichtet worden seien. Das Zollfahndungsamt geht davon aus, dass das im Erlassverfahren vorgelegte Schreiben vom 14.5.2000 aus dem an die Zentralstelle Ursprungsüberprüfung gesandten Schreiben hergestellt worden ist. Auf den Schlussbericht des Zollfahndungsamts Stuttgart vom 2.9.2002 wird Bezug genommen. Gegen den Geschäftsführer der Klägerin wurde daraufhin ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Urkundenfälschung und der versuchten Steuerhinterziehung eingeleitet. Das Verfahren wurde gem. § 153 a StPO gegen Zahlung von 10.000 € eingestellt.
Der Erlassantrag wurde mit Bescheid vom 4.4.2003 abgelehnt.
Mit Schreiben vom 8.4.2003 legte die Klägerin gegen den, den Erlassantrag ablehnenden Bescheid vom 4.4.2003 Einspruch ein. Der Vorwurf der betrügerischen Absicht stünde dem Erlass nicht entgegen. Die Staatsanwaltschaft habe im Ermittlungsverfahren die Auffassung vertreten, es stehe nicht fest, dass die Textilien ihren Ursprung nicht in Bangladesh hätten. Von daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie über den tatsächlichen Ursprung getäuscht habe. Im Übrigen habe ihr Geschäftsführer der Einstellung des Verfahrens ohne Schuldeingeständnis zugestimmt.
Der Beklagte wies den Einspruch gegen den Nacherhebungsbescheid mit Einspruchsentscheidung vom 15.9.2003 zurück. Zur Begründung führte er aus, die Voraussetzungen von Art. 220 Abs. 1 ZK lägen vor. Art. 220 Abs. 2 lit. b) ZK stehe nicht entgegen. Es fehle schon an einem aktiven Irrtum einer Zollbehörde. Der in der Neuregelung enthaltene erweiterte Vertrauensschutz im Zusammenhang mit dem Präferenz...