Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwirkung einer Anrechnungsverfügung durch unlautere Mittel
Leitsatz (amtlich)
Ist eine Anrechnungsverfügung durch unlautere Mittel eines Dritten erwirkt worden, so kann sie gegenüber dem Steuerpflichtigen nur dann gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO zurückgenommen werden, wenn sich der Steuerpflichtige das unlautere Verhalten des Dritten zurechnen lassen muss.
Normenkette
AO § 130 Abs. 2 Nr. 2, § 218 Abs. 2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Geltendmachung von Steueranrechnungsbeträgen aus einem mutmaßlichen Dividendenbezug von der A AG.
Die Klägerin war im Streitjahr 1991 als Kreditinstitut tätig.
Ihrer Körperschaftsteuererklärung für 1991 legte die Klägerin zwei von ihr selbst erstellte Steuerbescheinigungen bei und beantragte die Anrechnung der darin ausgewiesenen Steueranrechnungsbeträge in Höhe von 4.754.750 DM aus Ausschüttungen der A AG. Der Beklagte veranlagte die Klägerin für das Jahr 1991 zunächst erklärungsgemäß mit Körperschaftsteuerbescheid vom 27.05.1992. Die festgesetzte Körperschaftsteuer und der festgesetzte Solidaritätszuschlag betrugen 0 DM und die Steueranrechnungsguthaben insgesamt 14.170.410 DM. Das sich aus der Abrechnung ergebende Guthaben wurde an die Klägerin erstattet. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheids vom 27.05.1992 verwiesen.
Aufgrund von Feststellungen der Steuerfahndungsstelle B vertrat der Beklagte später die Auffassung, dass es sich bei den Ausschüttungen der A AG um sogenannte "Luftgeschäfte" gehandelt habe. Der der Klägerin gutgeschriebene Betrag in Höhe von 4.182.750 DM könne demgemäß nicht --wie erklärt-- als Dividende der A AG behandelt werden. Die in § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a. F. genannten Voraussetzungen der Steueranrechnung lägen deshalb nicht vor. Der Beklagte versagte der Klägerin mit nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO geänderter Anrechnungsverfügung zur Körperschaftsteuer 1991 vom 30.10.2001 die Anrechnung der aus dem Vorgang der A geltend gemachten Anrechnungsbeträge in Höhe von 4.754.750 DM und forderte diese von der Klägerin zurück.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Ermittlungsbericht der Steuerfahndungsstelle B vom 06.10.2000 und auf die geänderte Anrechnungsverfügung vom 30.10.2001 verwiesen.
Auf den hiergegen eingelegten Einspruch vom 27.11.2001 erließ der Beklagte am 12.01.2005 einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO. Mit dem Erlass des Abrechnungsbescheides erledigte sich das Einspruchsverfahren gegen die Anrechnungsverfügung. Die streitige Frage wurde stattdessen mit Einspruch vom 14.02.2005 in ein Einspruchsverfahren gegen den Abrechnungsbescheid übergeleitet. Zu diesem Verfahren wurde der Beigeladene, der zuvor mit Haftungsbescheid vom 31.10.2001 für den gegen die Klägerin geltend gemachten Rückforderungsbetrag gemäß § 191 i. V. m. § 71 AO in Haftung genommen worden war, gemäß § 360 AO hinzugezogen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 28.08.2006 stellte der Beklagte die verbleibende Körperschaftsteuer und den verbleibenden Solidaritätszuschlag nach Anrechnung in Höhe von insgesamt - 9.415.660 DM fest. Im Übrigen wies er den Einspruch vom 14.02.2005 als unbegründet zurück. Die in Rede stehenden "Aktien" seien am 11.07.1991, dem Tag der Hauptversammlung der A AG, Gegenstand mehrerer An- und Verkaufsgeschäfte gewesen, welche von dem Börsenmakler C --dem Beigeladenen-- initiiert worden seien. Die "Aktien" seien cum Dividende von dem Beigeladenen über das Konto Nr. .... der D AG an die Bank C, von dieser an die Bank D, von der Bank D an die Klägerin veräußert und von der Klägerin ex Dividende in der Veräußerungskette zurück auf den Beigeladenen rückveräußert worden. Dabei habe der Beigeladene wissentlich mit nicht vorhandenen "Aktien" gehandelt. Die Klägerin habe aufgrund der besonderen börsentechnischen Abwicklungsmodalitäten von der fehlenden Existenz der "Aktien" indes keine Kenntnis haben können. Da den An- und Verkaufsgeschäften vom 11.07.1991 keine Aktien der A AG zugrunde gelegen hätten, habe es sich bei den Geschäften nicht um ein reguläres Dividendenstripping gehandelt und seien die in § 49 Abs. 1 KStG a. F. i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 und 3 EStG a. F. genannten Voraussetzungen für eine Anrechnung der strittigen Beträge nicht erfüllt gewesen. Denn der der Klägerin durch D AG überwiesene Betrag stelle keine Dividende i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar. Die Anrechnungsverfügung vom 27.05.1992 habe nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO geändert werden können; die Verfügung sei durch den Beigeladenen, der das gesamte Geschehen beherrscht habe, durch unlautere Mittel erwirkt worden. Denn die Klägerin habe die für den Streitfall relevanten Steuerbescheinigungen im guten Glauben auf der Grundlage der von der D AG übermittelten Daten erstellt. Die Steuerbescheinigungen und diesen folgend die Anrechnungsverfügung vom 27.05.1992 seien die zwangsläufige Folge des von dem Beigeladenen bewusst in Gang gesetzten Verfahrens. Zudem sei für den Rückforderungsbetrag im Zeitpunkt der Änderung der Anrechn...