Entscheidungsstichwort (Thema)
Ungültigwerden einer verbindlichen Zolltarifauskunft während des gerichtlichen Verfahrens wegen Zeitablaufs Einreihung von Multifunktionsgeräten mit TENS-, EMS- und Elektromassagefunktion
Leitsatz (amtlich)
1. Das Ungültigwerden einer vZTA während des gerichtlichen Verfahrens wegen Zeitablaufs führt nicht zum Entfallen des Klagegegenstands und zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache. Die vZTA verliert ihre Wirksamkeit nur ex nunc und bleibt für den Zeitraum von ihrem Erlass bis zum Ungültigwerden wirksam. Das Verpflichtungsbegehren eines Klägers ist daher für diesen Zeitraum nicht erloschen.
2. Einzelfall, in dem die Funktion eines Impulsgenerators zur transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS) in die Unterposition 8543 7090 KN und nicht als medizinisches Gerät zur Nervenreizung in die Unterposition 9018 9075 KN einzureihen ist.
3. Die Funktion eines Impulsgenerators zur sog. "Elektromassage" ist nicht in die Unterposition 9019 1090 KN, sondern in die Unterposition 8543 7090 KN einzureihen. Bei der "Elektromassage" fehlt es an der notwendigen mechanischen Einwirkung auf die Haut.
4. Die Funktion eines Impulsgenerators zur elektrischen Muskelstimulation (EMS) ist in die Unterposition 8543 7090 KN einzureihen.
Normenkette
ZK Art. 12 Abs. 4 S. 1; UZK Art. 33 Abs. 3; KN UPos 8543 7090; KN UPos 9018 9075; KN UPos 9019 1090
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die zolltarifliche Einreihung von Elektrostimulationsgeräten.
Die Klägerin führt Elektrostimulations- bzw. Reizstromgeräte aus China ein und beantragte 2011 beim Beklagten die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) für das EMS/TENS-Gerät A. Hierbei handelt es sich um ein handliches elektronisches Gerät, in dessen oberer Hälfte ein Display eingebaut ist und das über die sich darunter befindenden Knöpfe gesteuert wird. Es wird geliefert mit vier Klebeelektroden, die auf die menschliche Haut aufzukleben sind und über zwei Anschlusskabel mit dem Gerät verbunden werden. Das Gerät sendet bei Inbetriebnahme elektronische Impulse über die Elektroden an den menschlichen Körper. Zum Lieferumfang gehören ein Gürtelclip, drei Batterien und eine Gebrauchsanweisung, auf welche wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Die Klägerin gab in ihrem Antrag an, dass es sich um ein medizinisches Gerät zur Nervenreizung handele, das der Behandlung von Schmerzzuständen und Muskelverspannungen diene. Es besitze zwei getrennt regelbare Stimulationskanäle und ähnele dem Vorgängergerät B. Sie schlug eine Einreihung in die Unterposition 9018 9075 KN vor.
Mit vZTA XXX-1 vom 20. September 2012 reihte der Beklagte das Gerät in die TARIC-Unterposition 8543 7090 99 ein. Es liege ein Reizstromgerät vor, bestehend aus einem batteriebetriebenen Impulsgenerator in einem spezifisch geformten Kunststoffgehäuse mit Batteriefach und Bedienelementen zum Einstellen der Programme und einem Display, vier Klebeelektroden mit Druckknopf und zwei Verbindungskabeln zum Anschluss an den Impulsgenerator. Das Reizstromgerät erzeuge elektrische Impulse zur Übertragung auf Muskel- und Nervenpartien, sowohl zur Muskelstimulation (EMS) (Hauptfunktion) als auch zur Stimulierung der Nervenbahnen (TENS). Geliefert werde es in gemeinsamer Verpackung mit einem Gürtelclip und Batterien. Es sei einzureihen als "elektrisches Gerät mit eigener Funktion, in Kapitel 85 anderweit weder genannt noch inbegriffen (Multifunktionsgerät zur Verwendung von Muskelstimulation (Hauptfunktion) und als medizinisches Gerät, noch nicht zusammengesetzt, in Warenzusammenstellung mit nicht charakterbestimmendem Beipack); Reizstromgerät".
Im Jahr 2011 beantragte die Klägerin zudem die Erteilung einer vZTA für das Nachfolgemodell C, das sich nicht wesentlich von dem A unterscheidet. Dieses Gerät reihte der Beklagte mit vZTA XXX-2 vom 20. September 2012 mit gleichlautender Begründung ebenfalls in die TARIC-Unterposition 8543 7090 99 ein.
Gegen beide vZTAe legte die Klägerin am 27. September 2012 Einspruch ein und verwies darauf, dass sie u.a. für das vergleichbare Gerät B im Mai 2009 eine vZTA erhalten habe, in der dieses Gerät in die TARIC-Unterposition 9018 9075 00 eingereiht worden sei.
Der Beklagte verteidigte daraufhin seine Einreihungsentscheidung. Die streitgegenständlichen Geräte dienten je nach Wahl der Programme der elektrischen Stimulation von Nervenbahnen (TENS = Transkutane elektrische Nervenstimulation), der Stimulation von Muskelgewebe (EMS = elektrische Muskelstimulation) oder der Elektromassage. Bei beiden Geräten sei die überwiegende Anzahl an Programmen für EMS-Anwendungen vorgesehen. Jeweils 30 von 50 Programmen seien für EMS- und lediglich 10 von 50 Programmen für die TENS-Anwendung vorgesehen. Bei den übrigen 10 Programmen handele es sich jeweils um Massageprogramme. Geräte zur TENS-Anwendung, die zur Schmerzbehandlung durch Stimulation der Nervenbahnen dienten, seien als medizinische Geräte in die Position 9018 KN einzureihen. Die EMS-Geräte (und Geräte für Elektromass...