Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Energiesteuerentlastung für thermische Abluftbehandlung

 

Leitsatz (amtlich)

Im Anschluss an den Beschluss des EuGH vom 17.12.2015 (C-529/14)stellt die Verwendung von Erdgas zum einen zum Überhitzen und Trocknen von Dampf, der anschließend im Ammoniakproduktionsprozess eingesetzt wird, und zum anderen zur thermischen Zersetzung und Ableitung der aus dem Herstellungsprozess stammenden Restgase keinen Fall von zweierlei Verwendungszweck im Sinne von Art. 2 Abs. 4 Buchst. b, 2. Anstrich RL 2003/96/EG (Verwendung sowohl als Heizstoff als auch für andere Zwecke) dar. Damit scheidet eine Entlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d oder Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG wegen des entgegenstehenden Besteuerungsgebots der RL 2003/96/EG aus.

 

Normenkette

EnergieStG § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d, Nr. 2; EGRichtl-2003/96 Art. 2 Abs. 4 Buchst. b

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Entlastung von Energiesteuer für Erdgas, das sie in einer Anlage ihres Betriebs verbraucht hat, gem. § 51 Abs. 1 Nr. 2 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) in der Fassung des Gesetzes vom 15.07.2006 (BGBl. I S. 1534) - soweit von der aktuellen Gesetzesfassung abweichend, im Folgenden: EnergieStG a.F. -.

Die Klägerin produziert in ihrem Betrieb Ammoniak aus Rückständen der Mineralölverarbeitung mittels eines chemischen Umwandlungsprozesses. Bei diesem Prozess fallen toxische Gase an. Zum einen entsteht sogenanntes Armgas, das neben brennbaren Stoffen wie Kohlenmonoxid (CO), Wasserstoff (H2) und Methanol (CH4O bzw. CH3OH) einen großen Anteil an nichtbrennbarem Kohlendioxid (CO2) und Stickstoff (N2) enthält. Das Armgas ist brennbar, hat aber wegen des relativ hohen Anteils an nichtbrennbaren Stoffen einen relativ geringen ("armen") Heizwert von ca. 3.200 bis 4.200 kJ/m³. Zum anderen entsteht bei dem Umwandlungsprozess Methanolspuren enthaltendes CO2. Beide toxischen Gase werden in einen als Dampfüberhitzer bezeichneten Betriebsteil (im Folgenden: "Anlage") geleitet. Im unteren Bereich der Anlage werden das Armgas und das streitgegenständliche versteuerte Erdgas, das einen Heizwert von ca. 40.000 kJ/m³ hat, eingeleitet und verbrannt. Bei der Verbrennung wird aus dem CO und dem CH4O des Armgases Wasser (H2O) und CO2.

Die bei der Verbrennung des Armgases und des Erdgases entstehende Wärme wird in der Anlage mehrfach genutzt: In dem mittleren Bereich der Anlage wird die Wärme - erstens - zum Trocknen von Dampf genutzt. Dafür wird der Dampf in zwei sogenannten Überhitzerpaketen durch die Anlage geleitet und dabei in einer ersten Stufe von 293°C auf 410°C und in der zweiten Stufe weiter auf 505°C erhitzt. Der so getrocknete und überhitzte Dampf wird sodann wieder im Ammoniakproduktionsprozess eingesetzt. Im darüber liegenden Teil der Anlage werden mit der Wärme - zweitens - bei einer Temperatur von noch ca. 350°C die Methanolspuren des dort in die Anlage geleiteten CO2 zersetzt. Der durch die Wärme in der Anlage entstehende Kaminzug wird - drittens - dazu genutzt, die nichtbrennbaren Anteile der eingeleiteten Gase und die Verbrennungsrückstände über den 60 m hohen Schornstein der Anlage in die Atmosphäre zu entsorgen. Um eine den Umweltschutzanforderungen entsprechende Überhöhung des Abgasstroms zu erhalten, ist eine Abgastemperatur an der Kaminmündung von mindestens noch 200°C erforderlich.

Im Betrieb der Anlage wird je Stunde Armgas mit einem Energiegehalt von ca. 39 MW und Erdgas mit einem Energiegehalt von ca. 16 MW verbrannt. Von dem gesamten Energiegehalt werden für die Dampfüberhitzung ca. 37 MW verbraucht, für die Zersetzung der Methanolspuren des CO2 ca. 8,5 MW und zur Gewährleistung der erforderlichen Mindesttemperatur an der Kaminmündung ca. 9,5 MW.

Nach einer von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme eines Umweltgutachters reiche der Energiegehalt des Armgases für den Betrieb der Überhitzerpakete aus. Die durch das Erdgas zusätzlich eingebrachte Energie werde benötigt, um entsprechend den Auflagen der behördlichen Genehmigung für den Betrieb der Anlage die thermische Abgasreinigung durchzuführen und die nichtbrennbaren Gase aufzuheizen. Ohne den Einsatz von Erdgas, das vollständig zur Emissionsminderung / Ableitung der Schadgase, nicht aber für die Dampferzeugung benötigt werde, sei eine umweltgerechte Ableitung der Abgase über den Kamin nicht möglich.

Mit Antrag vom 16.07.2009 beantragte die Klägerin Steuerentlastung gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG a.F. für die im Mai 2009 in der Anlage eingesetzte Erdgasmenge in Höhe von ... EUR; mit Antrag vom 30.09.2009 korrigierte die Klägerin die Höhe der beantragten Steuerentlastung auf ... EUR.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 17.07.2009 ab und wies den dagegen eingelegten Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 22.06.2012 als unbegründet zurück. Eine Steuerentlastung nach§ 51 Abs. 1 EnergieStG stehe der Klägerin nicht zu, weil sie das Erdgas nur verheize. "Verheizen" sei jegliches Verbrennen von Energieerzeugnissen zur Erzeugung von thermischer Energi...

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