Entscheidungsstichwort (Thema)
EuGH-Vorlage: Energiesteuerentlastung für thermische Abluftbehandlung. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim EuGH: C-529/14
Leitsatz (amtlich)
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Frage zur Auslegung des Unionsrechts im Wege der Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Frage: Steht Art. 1 RL 2003/96/EG einer mitgliedsstaatlichen Steuerentlastung für solche Energieerzeugnisse entgegen, die für thermische Abluftbehandlung verwendet werden, oder gilt die Richtlinie für diese Energieerzeugnisse gemäß Art. 2 Abs. 4 Buchst. b) zweiter Anstrich RL 2003/96/EG nicht, weil die Verwendung für die thermische Abluftbehandlung ein anderer Verwendungszweck ist als die Verwendung als Heiz- oder Kraftstoff und es sich bei ihnen somit um Energieerzeugnisse mit zweierlei Verwendungszweck im Sinne dieser Vorschrift handelt?
2. Frage: Ist für Energieerzeugnisse, die für thermische Abluftbehandlung verwendet werden, eine Steuerentlastung gegebenenfalls nur dann zulässig, wenn sie im Rahmen der thermischen Abluftbehandlung auch als Roh-, Grund- oder Hilfsstoff in ein bei der Behandlung der Abluft entstehendes Erzeugnis eingehen?
3. Frage: Ist eine Steuerentlastung für Energieerzeugnisse, die für thermische Abluftbehandlung verwendet werden, ausgeschlossen, wenn die bei der Behandlung der Abluft freigesetzte thermische Energie zum Teil auch zu Heiz- bzw. Trocknungszwecken genutzt wird? Gilt dieser Ausschluss gegebenenfalls auch dann, wenn für das Heizen bzw. Trocknen weniger Energie benötigt wird als die Energie, die in der Abluft vorhanden ist und bei ihrer thermischen Behandlung freigesetzt wird?
Normenkette
EnergieStRL 2003/96/EG Art. 1; EnergieStRL 2003/96/EG Art. 1 Abs. 4 Buchst. b); EnergieStG § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d), Nr. 2
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen über Entlastung von Energiesteuer gem. § 51 Abs. 1 Nr. 2) EnergieStG. Die Klägerin begehrt die Entlastung für Erdgas, das sie in einer Anlage ihres Betriebs verbraucht hat. Streitig ist, ob dieses Erdgas steuerbefreit zur thermischen Abfall- und Abluftbehandlung verwendet worden ist.
1. Die Klägerin produziert in ihrem Betrieb Ammoniak aus Rückständen der Mineralölverarbeitung mittels eines chemischen Umwandlungsprozesses. Bei diesem Prozess fallen toxische Gase an. Zum einen entsteht sogenanntes Armgas, das neben brennbaren Stoffen wie Kohlenmonoxid (CO), Wasserstoff (H2) und Methanol (CH4O bzw. CH3OH) einen großen Anteil an nichtbrennbarem Kohlendioxid (CO2) und Stickstoff (N2) enthält. Das Armgas ist brennbar, hat aber wegen des relativ hohen Anteils an nichtbrennbaren Stoffen einen relativ geringen ("armen") Heizwert von ca. 3.200 bis 4.200 kJ/m³. Zum anderen entsteht bei dem Umwandlungsprozess Methanolspuren enthaltendes CO2.
Beide toxischen Gase werden in einen als Dampfüberhitzer bezeichneten Betriebsteil (im Folgenden: "Anlage") geleitet. Im unteren Bereich der Anlage werden das Armgas und das streitgegenständliche, versteuerte Erdgas, das einen Heizwert von ca. 40.000 kJ/m³ hat, eingeleitet und verbrannt. Bei der Verbrennung wird aus dem CO und dem CH4O des Armgases Wasser (H2O) und CO2.
Die bei der Verbrennung des Armgases und des Erdgases entstehende Wärme wird in der Anlage mehrfach genutzt:
In dem mittleren Bereich der Anlage wird die Wärme - erstens - zum Trocknen von Dampf genutzt. Dafür wird der Dampf in zwei sogenannten Überhitzerpaketen durch die Anlage geleitet und dabei in einer ersten Stufe von 293°C auf 410°C und in der zweiten Stufe weiter auf 505°C erhitzt. Der so getrocknete und überhitzte Dampf wird sodann wieder im Ammoniakproduktionsprozess eingesetzt.
Im darüber liegenden Teil der Anlage werden mit der Wärme - zweitens - bei einer Temperatur von noch ca. 350°C die Methanolspuren des dort in die Anlage geleiteten CO2 zersetzt.
Der durch die Wärme in der Anlage entstehende Kaminzug wird - drittens - dazu genutzt, die nichtbrennbaren Anteile der eingeleiteten Gase und die Verbrennungsrückstände über den 60 m hohen Schornstein der Anlage in die Atmosphäre zu entsorgen. Um eine den Umweltschutzanforderungen entsprechende Überhöhung des Abgasstroms zu erhalten, ist eine Abgastemperatur an der Kaminmündung von mindestens noch 200°C erforderlich.
Im Betrieb der Anlage wird je Stunde Armgas mit einem Energiegehalt von ca. 39 MW und Erdgas mit einem Energiegehalt von ca. 16 MW verbrannt. Von dem gesamten Energiegehalt werden für die Dampfüberhitzung ca. 37 MW verbraucht, für die Zersetzung der Methanolspuren des CO2 ca. 8,5 MW und zur Gewährleistung der erforderlichen Mindesttemperatur an der Kaminmündung ca. 9,5 MW.
Nach einer von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme eines Umweltgutachters reicht der Energiegehalt des Armgases für den Betrieb der Überhitzerpakete aus. Die durch das Erdgas zusätzlich eingebrachte Energie werde benötigt, um entsprechend den Auflagen der behördlichen Genehmigung für den Betrieb der Anlage die thermische Abgasreinigung durchzuführen und die nichtbrennbaren Gase aufzuheiz...