Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer: Verlust der wirtschaftlichen Identität bei Anteilsübertragungen in mehreren Schritten
Leitsatz (amtlich)
Die für den Verlust der wirtschaftlichen Identität einer Körperschaft erforderliche Übertragung von mehr als der Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft kann auch in mehreren Schritten erfolgen, wenn zwischen ihnen ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht. Von einem solchen Zusammenhang kann bei einem zeitlichen Abstand von mehr als einem Jahr nicht ohne weiteres ausgegangen werden (Abweichung vom Schreiben des BMF vom 16.04.1999, BStBl I 1999, 455, in dem auf einen 5 Jahreszeitraum abgestellt wird).
Normenkette
KStG § 8 Abs. 4 i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Veranlagung der A GmbH, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist, für das Streitjahr 1997 der Verlustabzug gemäß § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufgrund der Feststellungen des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer und des vortragsfähigen Gewerbeverlustes jeweils auf den 31.12.1996 vorzunehmen ist oder ob einem solchen Verlustabzug § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), in der Fassung des Gesetzes vom 29.10.1997 entgegensteht.
Die A GmbH wurde 1990 unter der Firma B ... GmbH gegründet. Gesellschafter waren C mit einem Anteil von 60 % und D mit einem Anteil von 40 %. Der Gesellschafter D trat seinen Anteil per ... 1991 an den Gesellschafter C ab. Zum ... 1991 erwarb E als Treuhänder für F einen Anteil von 52 % und wurde die Firma geändert in B-1 ... GmbH. Am 11.08.1994 übernahm F die Anteile, die bis dahin E treuhänderisch für ihn gehalten hatte, und erwarb die restlichen Anteile des C. Das Stammkapital wurde um 2 Millionen DM auf 2.100.000 DM erhöht, wobei die Anteile durch F in Höhe von 1.999.000 DM und durch F-1 in Höhe von 1000 DM übernommen wurden. Zugleich wurde die Firma geändert in A GmbH und der Sitz des Unternehmens von G nach H verlegt. Der Unternehmensgegenstand, der bisher den Groß- und Einzelhandel mit Waren der Art X umfasste, wurde ergänzt um den Handel mit Waren der Art Y sowie alle damit zusammenhängenden Geschäfte. Der bisher von der A GmbH betriebene X-Handel wurde nicht mehr von ihr weitergeführt, sondern von anderen Unternehmen betrieben, deren Gesellschafter F ebenfalls war; die A GmbH war nunmehr in der Y-Branche tätig. Gemäß Verschmelzungsvertrag vom ... 2014 wurde die A GmbH per 01.01.2014 als übertragender Rechtsträger auf die Klägerin verschmolzen.
Für die A GmbH wurden mit Bescheiden vom 11.06.1998 auf den 31.12.1996 der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf 787.677 DM und der vortragsfähige Gewerbeverlust auf 574.001 DM festgestellt; die Verluste resultierten aus der Tätigkeit des Unternehmens bis 1994, während das Unternehmen in den Jahren 1995 und 1996 Jahresüberschüsse erzielt hatte. Die genannten Feststellungen blieben nach Durchführung einer Betriebsprüfung insbesondere zur Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG in der bis 1996 anzuwendenden Fassung unverändert. Der Beklagte ging davon aus, dass die wirtschaftliche Identität der A GmbH durch die beiden Anteilsübertragungen auf F im Abstand von über 37 Monaten und wegen der damit vorliegenden Überschreitung eines Zweijahreszeitraums nicht berührt war. Im Hinblick auf die Änderung des § 8 Abs. 4 KStG mit Gesetz vom 29.10.1997 gelangte der Beklagte zu der Auffassung, dass die Übertragung sämtlicher Anteile an der A GmbH in den Jahren 1991 und 1994 in Verbindung mit der Zuführung neuen Betriebsvermögens und einem Branchenwechsel zu einem Verlust der wirtschaftlichen Identität der A GmbH führte und damit im Jahr 1997 die auf den 31.12.1996 festgestellten Verluste nicht mehr abziehbar waren. Am 27.12.2001 erließ der Beklagte - neben nach Klagrücknahme insoweit nicht mehr streitgegenständlichen Bescheiden - geänderte Bescheide für 1997 und 1998 über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG, auf den 31.12.1997 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer und für 1997 über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer. Die Körperschaftsteuer für 1997 und 1998 sowie der Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer für 1997 wurden höher festgesetzt, der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1997 wurde auf 0 DM herabgesetzt. Die Änderungen beruhten allein auf der Ablehnung des Verlustabzuges.
Der am 17.01.2002 eingelegte Einspruch der A GmbH gegen die Bescheide vom 27.12.2001 blieb gemäß Einspruchsentscheidung vom 17.08.2004 erfolglos.
Die A GmbH hat am 26.08.2004 (Datum des Eingangs beim Beklagten, beim Gericht eingegangen am 03.09.2004) Klage erhoben mit dem Ziel einer Berücksichtigung der per 31.12.1996 festgestellten Verluste im Streitjahr 1997. Das Verfahren hat wegen beim Bundesverfassungsgericht anhängiger Verfahren gemäß Beschlüssen vom 30.11.2007 und 05.06.2...