Entscheidungsstichwort (Thema)

Neuerlass eines Folgebescheids gemäß § 175 AO

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Folgebescheid kann gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO neu erlassen werden, wenn ein Grundlagenbescheid bewusst aufgehoben wurde und der neue Grundlagenbescheid dem aufgehobenen Grundlagenbescheid entspricht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch der aufgehobene Grundlagenbescheid bereits in einem Folgebescheid umgesetzt worden war.

 

Normenkette

AO § 155 Abs. 2, § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1979, 1980 und 1982 dadurch zu Lasten der Kläger ändern durfte, dass zunächst berücksichtigte Verluste, die die Kläger aus ihren Beteiligungen an der ehemaligen stillen Gesellschaft (im Folgenden: stille Gesellschaft) in der ehem. A KG (im Folgenden: KG) geltend machten, nicht mehr berücksichtigt werden.

I.

1. Bevor ein Feststellungsbescheid des für die KG und die stillen Gesellschaften zuständige Finanzamt für Körperschaften C (im Folgenden: Betriebsfinanzamt) vorlag, hatten die Kläger mit ihren Steuererklärungen Verluste aus ihren Beteiligungen erklärt. Ihnen war durch die KG mitgeteilt worden, welche (negativen) Anteile an den von der KG gegenüber dem Betriebsfinanzamt erklärten Ergebnissen auf sie entfielen.

2. Der Beklagte veranlagte die Kläger erklärungsgemäß zusammen mit Einkommensteuerbescheiden vom 8. April 1981 für 1979 (Einkommensteuerakte - EStA - Bd. IV, Bl. 71), vom 8. August 1983 für 1980 (EStA Bd. IV, Bl. 214), und vom 10. Juli 1984 für 1982 (EStA 1982, Bl. 60), jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Diese Bescheide sind in der Folgezeit mehrfach aus hier irrelevanten Gründen geändert worden.

3. 1988 kam eine Betriebsprüfung bei der KG zu dem Ergebnis, dass für die stillen Gesellschaften die Voraussetzungen für eine Mitunternehmerschaft nicht erfüllt seien und insgesamt eine Gewinnerzielungsabsicht fehle. Das Betriebsfinanzamt erließ daraufhin am 22. Juni 1990 einen Bescheid, mit dem es die Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung für die stillen Gesellschaften ablehnte. Das Betriebsfinanzamt teilte dies dem Beklagten mit und dass die bisher angesetzten Verlustanteile nicht unter die Einkünfte im Sinne des § 2 EStG fielen.

Am 27. Juni 1990 erließ das Betriebsfinanzamt außerdem einen an die KG adressierten Feststellungsbescheid, in dem es der Komplementärin und den zwei Kommanditisten der KG positive Einkünfte zuwies. Für die stillen Gesellschafter wies der Bescheid vom 27. Juni 1990 einen Anteil von Null aus.

4. Am 30. Oktober 1990 änderte der Beklagte daraufhin die Einkommensteuerbescheide unter Nennung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) als Änderungsgrundlage dahingehend, dass die erklärten Verluste nicht mehr berücksichtigt wurden. Die Kläger legten gegen die Änderungsbescheide am 3. Dezember 1990 Einspruch ein.

5. a) Das Betriebsfinanzamt hob am 16. August 1991 die Feststellungsbescheide vom 22. und vom 27. Juni 1990 auf und erließ einen Feststellungsbescheid für die KG für die Jahre 1979 bis 1982 (...). In dem für die Aufhebung und Neufestsetzung verwendeten Formularvordruck strich das Betriebsfinanzamt aus der Überschrift "Geänderter Feststellungsbescheid" das Wort "Geänderter" und ersetzte unter B den Satzanfang "Die Änderungen erfolgen ..." durch "Die Bescheide ergehen". Den als Feststellungsbeteiligten zu 1 bis 3 benannten Komplementärin und Kommanditisten wurden in der "Anlage ESt 2 BM (85) zur geänderten gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte" (im Folgenden: Anlage ESt 2 BM) positive Einkünfte zurechnet. In den für die einzelnen Jahre verwendeten Vordrucken wurde jeweils das Wort "geänderten" gestrichen. Die Liste der Feststellungsbeteiligten nennt unter der laufenden Nr. 4 "stille Gesellschafter gemäß Anlage". In einer Anlage ist eine Vielzahl von Namen, darunter die der Kläger, aufgelistet. In der Anlage ESt2 BM wird den Beteiligten zur Nr. 4 ein Anteil an den laufenden Einkünften/Einnahmen in Höhe von Null zugewiesen. In einer weiteren Anlage zum Bescheid heißt es, die Bescheide ergingen erstmalig. Außerdem hob das Finanzamt dort die Feststellungsbescheide für die KG vom 27. Juni 1990 und der Nichtfeststellungsbescheid für die stille Gesellschaft vom 22. Juni 1990 auf. Weiter heißt es dort, damit erledigten sich die eingelegten Rechtsbehelfe. Die stillen Gesellschafter, denen kein Anteil am Gewinn/Verlust zugerechnet worden sei, seien auf einer weiteren Anlage aufgeführt.

b) Dem Beklagten teilte das Betriebsfinanzamt durch Schreiben ebenfalls vom 16. August 1991 (...) mit, dass der Bescheid vom 22. Juni 1990 aufgehoben worden sei, am 16. August 1991 ein Feststellungsbescheid erlassen worden sei und auf die Kläger ein Anteil von Null entfalle. Die erneute Bescheiderteilung sei notwendig geworden, weil das Finanzgericht (FG) Berlin in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bezüglich einer Schwestergesellschaft der KG ernstlic...

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