Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortsetzung des Verfahrens bei Streit über die Umsetzung einer tatsächlichen Verständigung
Leitsatz (amtlich)
Entsteht Streit über die Umsetzung einer tatsächlichen Verständigung in einem Erörterungstermin, ist das ursprüngliche Klageverfahren fortzusetzen.
Als Willenserklärung ist eine tatsächliche Verständigung auslegungsfähig nach Maßgabe von §§ 133, 157 BGB.
Im Zweifel ist davon auszugehen, dass das Finanzamt im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung über neue Schätzungsgrundlagen nicht unter die ursprünglich vom Steuerpflichtigen erklärten Werte heruntergehen will.
Normenkette
AO § 85; FGO § 79 Abs. 3-4, § 90 Abs. 2; BGB §§ 133, 157
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte die im Erörterungstermin erzielte tatsächliche Verständigung über Besteuerungsgrundlagen zutreffend umgesetzt hat.
Der Kläger betreibt ein Taxiunternehmen, in den Streitjahren 1988 bis 1992 mit 6 bis 8 Taxen. Die Gewinnermittlung erfolgt durch Betriebsvermögensvergleich. Für die Streitjahre ergingen zunächst - unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 2 AO - Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide sowie Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag nach Maßgabe der eingereichten Steuererklärungen.
Am 26.4.1993 begann beim Kläger eine Betriebsprüfung für die Jahre 1988 bis 1990, die nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens unter anderem wegen des Verdachts der Einkommen- und Gewerbesteuerhinterziehung ab dem 4.8.1994 durch die Steuerfahndung fortgeführt wurde. Der Steuerfahndungsbericht datiert vom 25.3.1998.
Weil der Kläger nach Auffassung der Betriebsprüfung unvollständige und unrichtige Aufzeichnungen über die Betriebseinnahmen und -ausgaben gemacht hatte, verwarf der Beklagte die Buchführung und erließ am 22.11.1999 entsprechende Änderungsbescheide, mit denen die Betriebseinnahmen geschätzt wurden. Dabei ging der Beklagte für die Betriebseinnahmen von einer Gesamtkilometerleistung von 70.000 km pro Taxi aus, um einem Zwei-Schichten-Betrieb Rechnung zu tragen. Für die Besetztfahrten wurde ein Anteil von 60% der um Privatfahrten (15.000 km) und sonstige Fahrten (5.000 km) bereinigten Gesamtfahrleistungen angesetzt. Unter Berücksichtigung von täglich 14 Touren berechnete der Beklagte die Beförderungsentgelte entsprechend § 2 der Taxenordnung (fester Grundpreis zzgl. des Preises des gefahrenen Kilometers).
Gegen diese Änderungsbescheide richteten sich die Einsprüche vom 20.12.1999, die der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 20.12.2000, zugestellt am 22.12.2000, mit der Begründung zurückwies, die Unvollständigkeit und Unrichtigkeit der Buchführung stehe aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung und der Steuerfahndung fest. Die Laufleistungen der Taxe, der Prozentsatz an Besetztfahrten sowie die Tourenanzahl lasse sich auf die Ermittlungen des Betriebsprüfers, insbesondere eines Sachverständigengutachtens, einer Geldverkehrsrechnung und die von dem angestellten Fahrer des Klägers, Herrn B, angefertigten Arbeitszeitnachweises stützen.
Mit ihrer bei Gericht am 22.1.2001 eingegangenen Klage verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. Zur Begründung tragen sie im Einzelnen vor: Ein Zwei-Schichten-Betrieb habe nur teilweise bestanden. Die geschätzte Kilometerleistung der Taxen von je 70.000 km sei schon aus diesem Grund falsch. Zudem seien die Angaben des Herrn B unrichtig. Er, der Kläger, habe Herrn B gerade deswegen entlassen, weil er den gebotenen Aufzeichnungspflichten nur unzureichend nachgekommen sei. Die Schätzung der Besetztzeiten sowie der Einnahmen beruhten allein auf den Angaben des Fahrers B und seien aus diesem Grund fehlerhaft. Zutreffend seien allein die von ihm, dem Kläger, aufgezeichneten Daten, wie sie auch Eingang in die Steuererklärungen gefunden hätten.
Mit der Klagbegründung kündigten die Kläger zunächst den Antrag an, die Änderungsbescheide vom 22.11.1999 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.12.2000 ersatzlos aufzuheben.
Am 12.2.2003 fand ein Erörterungstermin vor der Berichterstatterin statt, in dessen Verlauf die Beteiligten zur Erledigung des Rechtsstreits eine tatsächliche Verständigung herbeiführten. Hierzu heißt es in dem Sitzungsprotokoll:
"Mit Rücksicht auf die Differenzierung in der OFD-Verfügung, dass weniger Besetztfahrten im Außenbereich anfallen und auf Anraten des Gerichts, kommen die Beteiligten nunmehr dahin überein, dass Grundlage der Schätzung folgende Eckdaten sein sollen:
- 50% Besetztfahrten bei allen Taxen
- sechs Taxen p.a. während der streitigen VZ
- 50.000 Kilometer p.a. pro Taxe
und zwar ohne jegliche weitere Abzüge. Hiermit sind die Beteiligten einverstanden. Beklagtenvertreter wird insoweit entsprechend geänderte Bescheide für die Streitjahre erlassen. Klägervertreter ist damit einverstanden. Die Beteiligten erklären daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und sind mit einer Kostenentscheidung nach Hamburger Brauch einverstanden"
Gemäß Kostenbeschluss vom selben Tage übernahm der Beklagte die Gerichtskosten, außergerichtliche ...