Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VII B 41/19)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabenordnung: Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 AO
Leitsatz (amtlich)
Ist dem Steuerpflichtigen die von ihm entrichtete Steuer aufgrund eines positiven AdV-Beschlusses erstattet worden, können für diesen Zeitraum Prozesszinsen nach § 236 AO nicht verlangt werden.
Normenkette
AO § 236 Abs. 1, 2 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Verzinsung von Steuererstattungen.
Die Klägerin ... berechnete in ihrer Steueranmeldung vom ... Steuern in Höhe von insgesamt ... EUR und erhob hiergegen am 21.12.2011 Sprungklage beim Finanzgericht Hamburg ... Am 22.12.2011 zahlte die Klägerin die Steuer.
Am 06.12.2013 stellte die Klägerin beim Finanzgericht Hamburg einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung nach § 69 FGO, dem das Finanzgericht Hamburg ... stattgab. In Folge dieses Beschlusses erstattete das beklagte Hauptzollamt im Mai 2014 der Klägerin die gezahlte Steuer. Nachdem der Bundesfinanzhof den Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 11.04.2014 aufgehoben und den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung abgelehnt hatte, zahlte die Klägerin die ihr erstattete Steuer am 24.12.2014 zurück.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht das Steuergesetz ...für nichtig erklärt hatte, hob das beklagte Hauptzollamt die angefochtene Steueranmeldung auf und zahlte am 19.06.2017 die entrichtete Steuer zurück.
Mit Bescheid vom ... setzte das beklagte Hauptzollamt Prozesszinsen in Höhe von insgesamt ... EUR fest. Diese Festsetzung bezog sich auf den Zeitraum 22.12.2011 bis 19.06.2017 abzüglich der Zeitspanne 19.05.2014 bis 24.12.2014, innerhalb der die von der Klägerin entrichtete Steuer aufgrund der AdV-Gewährung erstattet worden war.
In ihrem gegen den Bescheid vom ... gerichteten Einspruch wandte die Klägerin ein, dass ihr Prozesszinsen nach § 236 AO auch für den Zeitraum der AdV-Gewährung zustünden. Der Zinslauf beginne mit der Zahlung der Steuer und ende mit der Rückzahlung der Steuer. Der Zeitraum des "Hin- und Herzahlens" sei schon nach dem eindeutigen Wortlaut des § 236 AO zu berücksichtigen und dürfe nicht außer Betracht bleiben.
Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom ... unter Hinweis darauf zurück, dass nach dem Normzweck des § 236 AO, dem Gläubiger eines Erstattungsanspruchs für die Vorenthaltung des Kapitals eine Entschädigung zu gewähren, die Zeiten gewährter Vollziehungsaussetzung nicht Bestandteil der Laufzeit der Prozesszinsen seien ...
Mit ihrer am ... erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie meint, dass der Abzug des AdV-Zeitraumes bei der Berechnung der Zinsen zu Unrecht erfolgt sei. Bereits der klare Wortlaut des § 236 Abs. 1 AO gebiete, den Zeitraum des "Hin- und Herzahlens" vom Zinslauf nicht auszunehmen. Nach dem Wortlaut sei für den Beginn des Zinslaufs ausschließlich die Rechtshängigkeit der Klage und für das Ende des Zinslaufs ausschließlich der Tag der Auszahlung des zu erstattenden Betrages entscheidend. Dem Wortlaut des § 236 AO sei keine Differenzierung dahin zu entnehmen, dass streitige Steuern, die im Laufe des Hauptsacheverfahrens erstattet oder gezahlt würden, so dass es damit zu einem "Hin- und Herzahlen" während der Rechtshängigkeit der Hauptsache komme, abweichend von dieser Grundregel zu verzinsen seien. Die Rechtshängigkeit der Klage bleibe von der Zahlung bzw. Erstattung der gezahlten Steuer unberührt; sie werde und könne auch nicht fiktiv beendet werden oder fiktiv beginnen. Nach dem Wortlaut komme es allein darauf an, dass ein Betrag aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung zu erstatten sei. Das sei vorliegend die Steuer, die das beklagte Hauptzollamt wegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts habe erstatten müssen. Die Vorschrift des § 233 Satz 1 AO regele, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur verzinst würden, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben sei. Entscheidend für das Bestehen eines Zinsanspruchs sei somit das Bestehen eines Steuerschuldverhältnisses. Ansprüche aus dem Schuldverhältnis würden nach § 47 AO insbesondere durch Zahlung erlöschen. Die vorläufige Rückerstattung der angemeldeten und gezahlten Steuer stelle keine Erfüllung im Sinne des § 47 AO dar und habe deshalb ihren - der Klägerin - Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis nicht zum Erlöschen gebracht. Habe folglich während der Zeit der vorläufigen Rückerstattung der Erstattungsanspruch unverändert fortbestanden, so sei dieser entsprechend der gesetzlichen Anordnung in § 233 Satz 1 i.V.m. § 236 Abs. 1 AO auch zu verzinsen. Eine teleologische Reduktion des § 236 Abs. 1 AO sei im Streitfall ausgeschlossen, da die wortlautgetreue Anwendung des § 236 Abs. 1 AO nicht dazu führe, dass die Vorschrift auf Fälle angewandt werde, die dem Sinn und Zweck der Norm oder dem gesetzgeberischen Willen widersprächen. Telos der Norm sei der angemessene Ausgleich beim Steuerpflichtigen, der zu Unrecht zur Steuerzahlung...