Entscheidungsstichwort (Thema)
Finanzgerichtsordnung, Abgabenordnung: Zum Fall der einseitigen Erledigungserklärung des Klägers
Leitsatz (amtlich)
1. Die einseitige Erledigungserklärung des Klägers stellt eine Antragsänderung in eine Erledigungsfeststellungsklage dar.
2. Eine Erledigungsfeststellungsklage ist unzulässig, wenn die ursprüngliche Verpflichtungsklage bereits verfristet war.
3. Sofern der Empfänger eines Bescheids die Bekanntgabevermutung gem. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO in Zweifel ziehen will, trifft ihn eine Obliegenheit zur Beweisvorsorge. Bei einem erkennbar atypisch langen Postlauf hat er diesen Umstand umgehend der Finanzbehörde anzuzeigen.
Normenkette
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1; FGO § 56 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin, deren Klage ursprünglich auf die Erstattung von Antidumpingzoll in drei gleich gelagerten Fällen abzielte, begehrt, nachdem die Erstattung erfolgt ist, die Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
Die A GmbH (A) meldete am 25. März 2015 als direkte Vertreterin der Klägerin die Überführung von keramischen Currywurstschalen aus China in den zollrechtlich freien Verkehr beim Zollamt B an. Solche Waren der TARIC-Codenummer 6912 0050 10 waren 2015 nach der Durchführungsverordnung(EU) Nr. 412/2013 des Rates vom 13. Mai 2013 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von Geschirr und anderen Artikeln aus Keramik für den Tisch- oder Küchengebrauch mit Ursprung in der Volksrepublik China (Abl. L 131, 1) mit einem unternehmensspezifischen Antidumpingzoll belegt. In der Zollanmeldung gab A die Warennummer mit dem TARIC-Zusatzcode "B999" an. Dieser Zusatzcode steht nach der DVO Nr. 412/2013 für "alle übrigen Unternehmen", die den höchsten Antidumpingzollsatz von 36,1 % zu zahlen haben. Unter der Codierung N380 verwies sie auf eine Handelsrechnung mit der Nr. YY-1 vom 18. März 2015.
Der Beklagte nahm die Zollanmeldung wie angemeldet an, setzte mit Einfuhrabgabenbescheid vom 25. März 2015 (XXX-1) unter Heranziehung eines Zollsatzes von 36,1 % Antidumpingzoll i.H.v. ... € fest und überließ die Waren nach Entrichtung der Einfuhrabgaben in den freien Verkehr.
Mit am 15. April 2015 beim Beklagten eingegangenen Schreiben legte A im Auftrag der Klägerin Einspruch gegen den Abgabenbescheid ein und bat um die anteilige Erstattung des Antidumpingzolls. Zum Zeitpunkt der Abfertigung habe ihr keine Handelsrechnung mit unterzeichneter Herstellererklärung vorgelegen. A legte u.a. eine zweite Ausfertigung der Handelsrechnung Nr. YY-1 vor, auf der bescheinigt wird, dass Hersteller der Keramikwaren die "C ... Co., Ltd." aus China sei. Für Waren dieses Unternehmens gilt nach der DVO Nr. 412/2013 ein ermäßigter unternehmensspezifischer Antidumpingzollsatz von 17,9 %.
Der Beklagte wertete den Einspruch als Antrag auf Erstattung des gezahlten Antidumpingzolls, soweit dieser mehr als 17,9 % betragen habe und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24. April 2015 (XXX-2) ab. Voraussetzung für die Anwendung eines unternehmensspezifischen Antidumpingzollsatzes sei, dass bei der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr eine Handelsrechnung mit besonderer Erklärung (sog. Verpflichtungsrechnung) vorgelegt werde. Zudem müsse die Zollanmeldung den TARIC-Zusatzcode und die Codierung D008 (Handelsrechnung besonderer Erklärung) enthalten. Der individuelle Antidumpingzollsatz könne nur dann gewährt werden, wenn den Zollstellen bereits zum Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung eine den Vorgaben entsprechende Handelsrechnung vorliege. Dies schließe nicht nur die Nachreichung von Handelsrechnungen aus, sofern die ursprünglich vorgelegte Rechnung aufgrund von Mängeln nicht anerkannt werden könne, sondern auch die nachträgliche Beantragung eines ermäßigten Antidumpingzollsatzes. Überdies fehle bei der nachgereichten Handelsrechnung der Name des Unterzeichnenden.
Mit E-Mail vom 22. Mai 2015 legte A Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid und gegen die zwei weiteren Bescheide, mit denen der Beklagte eine entsprechende Erstattung in den zwei Parallelverfahren abgelehnt hatte, ein. In allen drei Fällen habe im Rahmen der Zollanmeldung keine Handelsrechnung mit besonderer Erklärung (D008) vorgelegt werden können.
Mit E-Mail vom 25. August 2015 bat A darum, die weitere Korrespondenz in allen drei Fällen über das ... Büro zu führen.
Mit Hinweisschreiben vom 26. August 2015, das auf alle drei Einfuhrvorgänge Bezug nahm, legte der Beklagte seine Rechtsauffassung dar. Im Rahmen der Zollanmeldung sei die erforderliche Unterlagencodierung D008 und der für den Hersteller maßgebende TARIC-Zusatzcode "B451" nicht angemeldet worden. Daher sei der unternehmensspezifische Zollsatz nicht angewendet worden und dies könne auch nicht nachträglich geschehen, da der Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung insoweit maßgeblich sei. Das Schreiben wurde nach einem Ab-Vermerk am 27. August 2015 zur Post gegeben und an das ... Büro von A versandt.
Da hier...