Revision eingelegt (BFH III R 9/23)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Kindergeld: Zur Feststellung einer seelischen Behinderung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: III R 9/23)
Leitsatz (amtlich)
Der Nachweis einer seelischen Behinderung und der behinderungsbedingten Unfähigkeit zum Selbstunterhalt i.S.d. § 32 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG kann auch durch Einholung eines Sachverständigengutachtens eines Diplom Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten erfolgen.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 1, 4 S. 1 Nr. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob die Tochter der Klägerin als behindertes Kind, das wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, kindergeldrechtlich zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin ist die Mutter von D (geb. XX. August 1996). Im Juni 2015 schloss D die Schule mit dem Abitur ab und jobbte in einer Bäckerei. Bei D wurde im Jahr 2015 ein Schilddrüsen-Tumor erkannt und im September 2015 daraufhin die Schilddrüse entfernt. Im Juli 2016 wurde ein Tumor in der Brust diagnostiziert, der sich bei einer radiologischen Untersuchung im August 2016 als gutartig herausstellte und schließlich im April 2017 entfernt wurde. Die Untersuchung des entfernten Tumors bestätigte dessen Gutartigkeit. D erzielte im Zeitraum Oktober 2016 bis Oktober 2017 monatlich maximal Einkünfte i.H.v. 450 €/Monat.
Am 4. März 2016 beantragte die Klägerin Kindergeld unter Vorlage einer Schulbescheinigung der H Berufsfachschule (im Folgenden H) für einen voraussichtlichen Schulbesuch von D für den Zeitraum April 2016 bis einschließlich März 2018. Mit Bescheid vom X. März 2016 setzte die Beklagte daraufhin Kindergeld für D ab März 2016 fest. Mit Bescheid vom X. Februar 2018 hob die Beklagte Kindergeld für D ab April 2018 auf und forderte die Klägerin zur Vorlage von Unterlagen über den Abschluss der Ausbildung auf. Mit Antrag vom X. April 2018 teilte die Klägerin mit, D bemühe sich um einen Ausbildungsplatz und werde im August 2018 eine Ausbildung an der Berufsfachschule S beginnen. Hierfür legte die Klägerin eine Bestätigung vom 21. März 2018 vor, aus der sich ein Schulbeginn am 16. August 2018 ergab. Mit Bescheid vom X. April 2018 setzte die Beklagte Kindergeld für D ab April 2018 fest, da diese sich ernsthaft um eine Ausbildung bemühe bzw. diese mangels Ausbildungsplatz noch nicht beginnen könne.
Mit Schreiben vom 16. Mai 2018 teilte die Klägerin mit, D habe die Ausbildung leider nicht beenden können, da sie wegen einer Krebserkrankung mehrfach habe operiert werden müssen und sich zwei Mal einer Radiotherapie unterzogen habe. Nachdem zunächst Besserung eingetreten und sie zur Schule gegangen sei, sei erneut Krebs diagnostiziert worden. Sie, die Klägerin, habe leider vergessen, die Familienkasse zu informieren. Im Laufe des Verfahrens übersandte sie auf dem Formular "Ärztliche Bescheinigung zum möglichen Umfang der Erwerbstätigkeit" die Stellungnahme der Hausärztin W vom X. August 2018, in der diese ankreuzte, eine Stellungnahme sei nicht möglich. Sie übersandte zudem die "Ärztliche Bescheinigung über das Vorliegen einer Behinderung" vom X. Mai 2018 W, wonach keine Behinderung vorliege. Zudem legte sie eine Schulbescheinigung der H über den Schulbesuch vom 1. April 2016 bis 30. September 2016 vor. Mit einer von der Beklagten vorgeschlagenen ärztlichen Begutachtung durch den Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit erklärte sich die Klägerin nicht einverstanden, da ihre Tochter in stetiger ärztlicher Behandlung sei.
Mit Bescheid vom X. April 2019 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für D für den Zeitraum Oktober 2016 bis Februar 2018 sowie ab April 2018 auf und forderte das Kindergeld für den Zeitraum Oktober 2016 bis Februar 2018 sowie April 2018 bis September 2018 i.H.v. insgesamt 4.426 € zurück. Am X. Mai 2019 legte die Klägerin Einspruch ein und übersandte den Feststellungsbescheid des Versorgungsamts Hamburg vom X. Februar 2019, welcher einen Grad der Behinderung von 50 ab dem X. September 2018 feststellte. Dabei wurden als Gesundheitsstörungen berücksichtigt: Gewebeneubildung der Schilddrüse in Heilungsbewährung, Struma nodosa li. Nicht berücksichtigt wurden ein Fibroadenom li, da es keinen Grad der Behinderung von mindestens 10 bedinge, und Migräne, da diese nicht ärztlich bestätigt worden bzw. nur als Diagnose aufgeführt sei. Im Einspruchsverfahren erklärten sich die Klägerin und D zu einer Untersuchung durch den Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit bereit. Die Klägerin reichte zudem eine ärztliche Bescheinigung von W vom X. Juli 2019 ein, wonach bei D im Sommer 2015 ein bösartiger Tumor der Schilddrüse entdeckt worden sei. Die Schilddrüse sei im September 2015 entfernt worden und im Anschluss eine Radiotherapie durchgeführt worden. Während der Radiotherapie habe D eine Depression entwickelt, welche sich nach der Diagnose eines Brustdrüsentumors verstärkt habe. Wegen der Depression sei D in fachärztlicher Behandlung.
Mit Einspruchsentscheidung vom X. September 2019 wies die Bekl...