Entscheidungsstichwort (Thema)
Mangels Bekanntgabe nicht wirksam werdender Steuerbescheid
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Reichweite einer für das Strafverfahren erteilten Zustellungsvollmacht
2. Aufhebung eines dem Kläger nicht bekannt gegebenen Steuerbescheides
Normenkette
AO § 122 Abs. 7, § 123 Abs. 1; FGO § 100 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Steuerbescheid des beklagten Hauptzollamtes, mit dem er zur Entrichtung von Einfuhrabgaben für unversteuerte und unverzollte Zigaretten herangezogen wird.
Der Kläger ist litauischer Staatsangehöriger. Mit Steuerbescheid vom 20.8.1999 setzte das Hauptzollamt H gegenüber dem Kläger als Gesamtschuldner mit A, B, C, D und E Einfuhrabgaben (Zoll, Tabak- und Einfuhrumsatzsteuer) in Höhe von insgesamt DM 266.115,87 fest. Zur Begründung führte das Hauptzollamt H aus: Der litauische Staatsangehörige A habe mit einem in Litauen zugelassenen Lastzug am 7.9.1998 insgesamt 9.072 Stangen Zigaretten über das Zollamt Frankfurt/Oder versteckt in Holzbunden unter Verletzung seiner Gestellungspflicht in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht. Da der Kläger den Einfuhrschmuggel sowie die beabsichtigte Lagerung und den Absatz der Zigaretten organisiert habe, hafte er als Zollschuldner für die entstandene Einfuhrzollschuld. Der Steuerbescheid wurde am 23.8.1999 an "Herrn F, c/o Amtsgericht M, X-Straße, M" als angeblich vom Kläger benannten Zustellungsbevollmächtigten für das Besteuerungs- und Strafverfahren abgesandt.
Am 21.9.2000 ging beim Hauptzollamt H ein Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers ein, in dem es u.a. heißt: Das Verfahren hinsichtlich der Brüder K (Kläger), B und C sei gemäß § 153 Abs. 2 StPO erledigt worden. Sie - die Prozessbevollmächtigten - regten deshalb an, die Haftungsbescheide aufzuheben. Rein vorsorglich legten sie außerdem Einspruch ein und beantragten insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Abgabenbescheid sei nicht in einer für ihren Mandanten verständlichen Sprache, sondern in der Amtssprache deutsch übermittelt worden. Da ihr Mandant der deutschen Sprache nicht mächtig sei, habe er die Rechtsmittelbelehrung nicht verstehen können. Ihm sei deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Das beklagte Hauptzollamt verwarf den Einspruch des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 2.11.2000 als unzulässig unter Hinweis darauf, dass der Steuerbescheid am 23.8.1999 an den vom Kläger benannten Zustellungsbevollmächtigten zur Post gegeben worden sei. Der Bescheid gelte daher gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO am 26.8.1999 als dem Kläger bekannt gegeben. Bei Eingang des Einspruchs am 21.9.2000 sei die einmonatige Einspruchsfrist bereits seit langem abgelaufen gewesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung, die am 10.11.2000 zur Post gegeben worden ist, Bezug genommen.
Der Kläger hat am 13.12.2000 Klage erhoben und beantragt den Steuerbescheid vom 20.8.1999 sowie die Einspruchsentscheidung vom 2.11.2000 aufzuheben.
Das beklagte Hauptzollamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Es bezieht sich auf die Gründe der Einspruchsentscheidung.
Mit Verfügung vom 3.9.2003 hat das Gericht dem beklagten Hauptzollamt aufgegeben, nachzuweisen, dass der Kläger Herrn F auch für das Besteuerungsverfahren als Zustellungsbevollmächtigten benannt hat. Das beklagte Hauptzollamt hat daraufhin mit Schriftsatz vom 9.9.2003 mitgeteilt, ein Nachweis in der Form, dass der Kläger den Zustellungsbevollmächtigten F ausdrücklich auch für das Besteuerungsverfahren benannt habe, könne nicht beigebracht werden. Allerdings würden Steuerbescheide im Zusammenhang mit einem Strafverfahren regelmäßig gegenüber dem benannten Zustellungsbevollmächtigten bekannt gegeben. Dass vorliegend die Zustellung eines Steuerbescheides im Zusammenhang mit dem Steuerstrafverfahren nicht an den vom Kläger benannten Zustellungsbevollmächtigten erfolgen solle, lasse sich der Vollmacht vom 23.10.1998 nicht entnehmen. Die vom beklagten Hauptzollamt insoweit in Bezug genommene Erklärung des Klägers vom 23.10.1998 lautet: "Ich benenne hiermit Herrn F ... in dem Strafverfahren ... zu meinem Zustellungsbevollmächtigten ..."
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage führt zum Erfolg. Der Steuerbescheid vom 20.8.1999 ist mangels Bekanntgabe gegenüber dem Kläger nicht wirksam geworden (1). Dem Kläger ist das Recht zuzubilligen, den Rechtsschein zu beseitigen, der von diesem Steuerbescheid sowie der Einspruchsentscheidung vom 2.11.2000 ausgeht (2.).
1. Der Steuerbescheid vom 20.8.1999 ist mangels Bekanntgabe gegenüber dem Kläger nicht wirksam geworden.
In § 124 Abs. 1 Satz 1 AO ist bestimmt, dass ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Die Bekanntgabe von Verwaltungsakten regelt - u....