Entscheidungsstichwort (Thema)

Sicherheitsleistung für möglicherweise entstehende Zölle - Anschluss an FG Hamburg, Beschluss vom 03.09.2021 (4 V 65/21)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gemäß Art. 244 Abs. 1 UZK-DVO darf eine Sicherheit verlangt werden, wenn die auf Tatsachen gestützte, nicht nur entfernte Möglichkeit besteht, dass Angaben in der Zollanmeldung unrichtig sein könnten und stattdessen andere Tatsachen zutreffen und diese anderen Tatsachen, wenn sie vorlägen, zu höheren Abgaben führten.

2. Für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen von Art. 244 Abs. 1 UZK-DVO vorliegen, muss Sachvortrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung berücksichtigt werden.

3. Ist - wie im Streitfall - erwiesen, dass die Ware aus einem bestimmten Land kommt, besteht keine Möglichkeit i.S.v. Art. 244 Abs. 1 UZK-DVO, dass die Ware aus einem anderen Land stammt.

 

Normenkette

UZK-DVO Art. 244 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Sicherheiten für möglicherweise entstandene Antidumping- und Zusatzzölle.

Mit Zollanmeldungen vom 11. Mai 2020 AT/C/XXX-1 und AT/C/XXX-2 meldete die Klägerin jeweils nahtlose Rohre mit kreisförmigem Querschnitt aus nicht rostendem Stahl, kaltgezogen oder kaltgewalzt, der Unterposition 7304 4100 KN (im Folgenden: Rohre) zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr an. Als nichtpräferenzielles Ursprungsland gab sie Indien und als Verkäuferin die Ltd, B (im Folgenden: Verkäuferin), an. Als Handelsunterlagen nannte sie die Rechnungen der Verkäuferin vom 9. März 2020 R/xxx-1 und R/xxx-2. Die Rohre befanden sich im Container Con-1.

Aufgrund eines Anlastungs-Risikoprofils des Zollkriminalamts (ZKA) (... RL xxx-6/20), das seinerseits auf der Mitteilung des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (Office Européen de Lutte Antifraude - OLAF) AM 2020/xxx vom ... Februar 2020 beruht, ordnete der Beklagte für die beiden Zollanmeldungen eine Dokumentenprüfung und Beschau hinsichtlich des Ursprungs an. Hierbei wurden die auf Anforderung des Beklagten vorgelegten Handelsunterlagen ohne Beanstandungen stichprobenweise mit den Angaben der Zollanmeldungen abgeglichen. Bei der Beschaffenheitsbeschau am 12. Mai 2020 stellte der Beklagte in Holzkisten mit der Aufschrift IN-xxx eingepackte Rohre verschiedener Länge und Durchmesser mit der PO-Nr. xxx.xxx fest. Logos, Länder- oder Firmenbezeichnungen fehlten. Es bestünden Zweifel am angemeldeten Ursprung. Daher sei eine Sicherheit in Höhe des höchstmöglichen Antidumpingzolls und des Zusatzzolls für kritische Kontingente festzusetzen.

Nach Überlassung der Rohre setzte der Beklagte mit Einfuhrabgabenbescheiden vom 11. Mai 2020 AT/C/XXX-1 und AT/C/XXX-2 nicht abschließend jeweils 0 € Zoll fest. Weil Zweifel am angemeldeten indischen Warenursprung bestünden, setzte er zusätzlich jeweils eine Sicherheit in Höhe des möglicherweise anfallenden Antidumpingzolls (71,9 %) und eines Zusatzzolls für kritische Kontingente (25 %) fest. Im Einfuhrabgabenbescheid AT/C/XXX-1 wurde die Sicherheit für den Antidumpingzoll auf ... € und für den Zusatzzoll auf ... € festgesetzt. Im Einfuhrabgabenbescheid AT/C/XXX-2 beträgt die Sicherheit für den Antidumpingzoll ... € und für den Zusatzzoll ... €. Diese Sicherheiten wurden aufgrund eines Arbeitsfehlers tatsächlich nicht vereinnahmt.

Mit Schreiben vom 18. Mai 2020 legte die Klägerin Einspruch ein gegen die Einfuhrabgabenbescheide vom 11. Mai 2020 AT/C/XXX-1 (RL xxx-1/20) und AT/C/XXX-2 (RL xxx-2/20), soweit damit eine Sicherheit festgesetzt wurde. Die Rohre hätten ihren nichtpräferenziellen Ursprung in Indien, weil sie ausschließlich aus indischem Vormaterial, d. h. warmgefertigten Rohrluppen (hot finished seamless austenitic stainless steel mother hollow pipes), hergestellt worden seien. Dies ergebe sich aus den Packlisten, der Rechnung und den Materialzeugnissen für die Rohre, den Materialzeugnissen für das Vormaterial des indischen Stahlherstellers C (Stahlhersteller) und der tabellarischen Übersicht zur Zuordnung der einzelnen Positionen der Packlisten zu den Materialzeugnissen. Exemplarisch könne die Zuordnung wie folgt erfolgen: Die Packliste xxx E vom 9. März 2020 nenne für insgesamt 1.065 Rohre aus dem Werkstoff TP 304L die Abmessungen 18 mm × 1,5 mm × 400-6.500 mm und die Schmelzennummer (heat no.) YYY-1. Diese Abmessungen und der Werkstoff fänden sich in der Rechnung R/xxx2-20. In dem für das fertige Rohr erstellten Materialzeugnis M-1 würden diese Abmessungen, die Schmelzennummer, die Menge und die Länge genannt, die sich auf der Rechnung bzw. der Packliste befänden. Das Materialzeugnis des Stahlherstellers nenne den Werkstoff TP 304L, bezeichne die Ware als hot finished seamless austenitic stainless steel mother hollow pipes und nenne die Schmelzennummer YYY-1.

Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 14. Juli 2020 AT/S/XXX-4 wurde den Einsprüchen insoweit abgeholfen, als die Sicherheit für den Zusatzzoll auf die Sicherheit für den Antidumpingzoll angerechnet wurde. Entsprechend wurde die Sicherheit für den Antidumpingzoll hinsi...

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