Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollrecht - Tarifierung: Einreihung eines Multimediageräts für Kraftfahrzeuge
Leitsatz (amtlich)
Zur Einreihung eines Multimediageräts für Kraftfahrzeuge, das verschiedene Funktionen im tarifrechtlichen Sinn ausübt.
Normenkette
EGVO-698/2012; EGVO-459/2014 Art. 1 Abs. 4; EGVO-459/2014 Anhang IV; KN Position 8517; KN Position 8519; KN Position 8521; KN Position 8526; KN Position 8527; KN Position 8528; KN Unterposition 8528 5970; KN Unterposition 8528 5900; KN Anmerkung 3 zu Abschn. XVI; KN Allgemeine Vorschrift 3 a; KN Allgemeine Vorschrift 3 c
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Zoll.
Die Klägerin führte in der Zeit von Juni 2016 bis September 2017 Multimediageräte für Kraftfahrzeuge in die EU ein. Anmeldegemäß wurden sie als Funknavigationsempfangsgeräte (Unterposition 8526 9120) mit einem Zollsatz von 1,9-3,7 % zum freien Verkehr überlassen.
Die Ware (im Folgenden auch: Multimediagerät) besteht aus einem berührungsempfindlichen 6,2-Zoll Flüssigkristallmonitor in einem Gehäuse mit verschiedenen Geräten, nämlich einem Autoradio, einem CD/DVD-Player, einer Freisprecheinrichtung, einem Navigationsgerät mit GPS-Navigationsbestimmung und einem Verstärker nebst Fernbedienung. Die bei Benutzung der Freisprechanlage und beim Audio-Streaming erforderliche Datenübertragung erfolgt über den Bluetooth-Standard, den das Gerät unterstützt. Genauso kann über Bluetooth ein externes Mikrofon angeschlossen werden. Über die USB-, SD-, MikroSDHC- und A/V-Schnittstellen können externe Audio- und Bilddaten wiedergegeben werden. Außerdem kann eine Rückfahrkamera angeschlossen werden. Die Ware wird unter der Bezeichnung "X Car Multimedia X Z 123" als "Großartiger Allrounder - Perfekt für Ihre Bedürfnisse" vermarktet.
2017 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Zollprüfung durch, die den Zeitraum 1. Oktober 2014 bis 20. September 2017 betraf. Hierbei monierte der Prüfer insbesondere die Einreihung der Multimediageräte. Der Prüfungsbericht vom 23. Januar 2018 (...) hielt fest:
[Die Klägerin] importierte Multimedia-Navigationsgeräte und reihte diese hauptsächlich in die UPos(KN) 85269120 (Zollsatz 1,9 - 3,7 %) ein.
Es handelte sich dabei um eine zusammengesetzte Ware aus verschiedenen Geräten des Kapitels 85 (Autoradio, CD/DVD-Player, Freisprecheinrichtungen, Navigationsgerät, Monitor), bei dem kein charakterbestimmender Bestandteil ermittelt werden kann. Die Navigationsgeräte sind daher in die letztgenannte Position der KN und damit in die Codenummer 85285970900 bzw. ab 01.01.2017 85285900900 (Zollsatz 14 %) einzureihen. Es sind insgesamt 149.216,27 € Zoll EU nachzuerheben. [...]
Darüber hinaus beanstandete der Prüfungsbericht, dass eine allgemeine Transportversicherungspolice und bestimmte Frachtnebenkosten (insbesondere ISPS-Gebühren) nicht in den Zollwert einbezogen worden seien.
Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erhob der Beklagte mit den Positionen 2-18 des Einfuhrabgabenbescheids vom 2. Februar 2018 (XXX-1) gemäß Art. 101 i. V. m. Art. 105 Abs. 3 UZK hinsichtlich der Einfuhr der Multimediageräte Zoll in Höhe von € 149.216,27 nach. Dieser Nacherhebungsbetrag ergibt sich weit überwiegend aus der geänderten Einreihung. Bei den Positionen 3-7, 9-10, 14, 16-18 wurden zusätzlich zollwerterhöhende Beträge berücksichtigt.
Mit Schreiben vom 16. Februar 2018 legte die Klägerin Einspruch gegen den Nacherhebungsbescheid ein. Die Multimediageräte seien keine zusammengesetzten Waren im Sinne der AV 3 c) KN. Selbst wenn man dies anders sähe, handele es sich um Warenzusammenstellungen, denen das Navigationsgerät im Sinne der AV 3 b) KN den wesentlichen Charakter verleihe.
Es handele sich nicht um eine Warenzusammenstellung im Sinne der AV 3 b) KN. Die Bestandteile dienten nicht der Befriedigung eines speziellen Bedarfs oder der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit. Die Ware befriedige nämlich verschiedene Bedarfe. Das gemeinsame Gehäuse sei unerheblich. Die Geräte seien einzeln einzureihen. Die Anmerkung 3 zu Abschnitt XVI KN sei anzuwenden. Danach sei die Hauptfunktion des Gerätes maßgeblich. Dies sei hier der Navigationsempfang. Alle anderen Funktionen seien Beigaben. Kein Verbraucher würde, wenn er einen Pkw mit Bildschirm benötige, Radio hören oder Videos anschauen wollen, einen Navi-Receiver für rund 700 € kaufen. Das Gerät werde auch als Navigationsempfänger beworben. Ohne Navigationsempfang verliere die Ware ihre charakteristische Eigenschaft als Navi-Receiver. Der wertmäßige Anteil des Navi CPU-Boards betrage rund 50 %. Rechne man den Monitor und das Gehäuse hinzu, käme man auf rund 70 %.Es läge eine britische vZTA vor, die eine vergleichbare Ware ohne Touchscreen der Position 8526 KN zugewiesen habe.
Nachdem der Beklagte auf das Urteil des FG Hamburg vom 10. Juli 2015 (4 K 54/15) hingewiesen hatte, führte die Klägerin weiter aus: Die AV 3 KN sei nicht anwendbar, wenn die Ware in ihrer tatsächlichen Beschaffenheit, also die fünf Geräte in einer äußeren Hülle, von fünf verschie...